01.04.2021

Sarah Fischers poetische Welten

Ein Schwarz-Weiß-Porträt von Sarah Fischer.
Sarah Fischer

Sarah Fischer spinnt gern rum und geht dabei doch überlegt vor. Wie die Zeichnerin und Fotografin ihre Bilder komponiert - über Beziehungen, Alltagsgegenstände und Kultur in Greifswald berichtet sie Kultur-MV.

Erzählen Sie bitte kurz, wie Sie selbst Ihre Arbeit und sich als Künstlerin beschreiben.

Sarah Fischer: Ich bin Zeichnerin und Fotografin. Mein momentaner Arbeitsschwerpunkt ist die Zeichnung. Meine Arbeit ist ein sehr konzentrierter Prozess, der oft auch sehr anstrengend ist. Ich arbeite meist sehr überlegt und finde die exakte Gesamtkomposition eines Bildes durch Ausprobieren und dem Verschieben von Teilen einer Vorzeichnung.

Leerstellen jeglicher Art finde ich als Themenkomplex sehr spannend. Die Anwesenheit von Alltagsgegenständen in meiner Umgebung und die Assoziationen, die sie in mir in Gang setzen, spielen als Ideenquelle ebenfalls eine große Rolle. In den drei angekauften Arbeiten „Gruppendynamik“, „Stadtluft Landluft“ und „Drahtloses Netzwerk“ geht es eher um gesellschaftliche Phänomene. Ich spinne gerne rum, ziehe Verbindungen zwischen Gegenständen oder Sachverhalten, die auf den ersten Blick vielleicht erst mal nichts miteinander zu tun haben. Die Beziehung zwischen der Natur, mir, den Menschen und des technischen Equipments im Alltag ist oft ein Thema, das ich aufgreife. Zeichnerisch arbeite ich vornehmlich mit unterschiedlichen Lagen Zeichen- und Transparentpapier, feinen Bleistiftlinien und Kohlepapier. Immer wieder auftauchende Motive in meinen Arbeiten sind bisher z.B. Häuser, Umzugskisten, Pflanzen und Tiere – vor allem Vögel –, Stühle und Lampen.

Ihre Arbeiten sind nun Teil des Landeskunstbesitzes. Was bedeutet es Ihnen?

Sarah Fischer: Der Ankauf meiner Zeichnungen durch das Land Mecklenburg-Vorpommern ist für mich eine erneute Anerkennung als Künstlerin. Von öffentlicher Seite solch ein Zuspruch für die eigenen Arbeit zu erhalten, gibt Ansporn, immer weiterzumachen. Die Nachricht über den Ankauf war für mich ein Highlight des Frühjahrs 2020, als gerade alles wegen des ersten Lockdowns abgesagt wurde. Ich freue mich auch sehr auf die kommende Ausstellung 2021 mit den Positionen aller Künstler, die in den jüngsten vier Jahren Teil des Landeskunstbesitzes geworden sind.

Wie kommt die Inspiration zu Ihnen?

Sarah Fischer: Spontane Einfälle ereignen sich meist fern des Arbeitstisches, z.B. wenn ich auf Reisen Dinge erblicke oder Sätze aufschnappe und diese in Bild und Wort festhalte. Rad-, Auto- oder Bahnfahrten eignen sich für mich besonders gut, um Assoziationen zwischen Dingen zu spinnen, die in der Realität nicht unbedingt am selben Ort zu finden sind oder die zusammen „Sinn ergeben“. Das ist ja das Schöne an der Kunst, dass ich mir meine eigene Welt basteln, neue Perspektiven eröffnen kann.

Meine Arbeitsweise ist beim Zeichnen ansonsten überwiegend sehr akribisch und langsam. Das macht den Schaffensprozess manchmal auch etwas schwerfällig, wenn mir bei der Bildkomposition die Leichtigkeit flöten geht. Das Gute ist jedoch, das dieser Prozess zu solchen Ergebnissen führt, wie sie auch in den drei Arbeiten für den Landesankauf zu sehen sind: eine klare Formensprache, die Reduktion auf die Linie und das Schwarz-Weiß. Diese Formensprache liegt mir sehr. Wenn die leise Poesie oder das Augenzwinkern in den Bildern erfahrbar wird – oder auch der ernste oder problematische Hintergrund, der der Bildidee zugrunde liegt – dann bin ich zufrieden.

Arbeiten Sie vorrangig in einer festen Arbeitsumgebung?

Sarah Fischer: Ich habe ein externes Atelier, in dem ich arbeite. Dort helfen mir gute Musik, ein informatives Radioprogramm und ein abgeschalteter Internetanschluss beim konzentrierten Arbeiten.

Wann haben Sie sich selbst als Künstlerin begriffen?

Sarah Fischer: Nach dem Masterabschluss in Bildender Kunst an der Uni Greifswald habe ich mich 2017 als freischaffende Künstlerin selbstständig gemacht. Die Entscheidung dazu fiel aufgrund der Bestätigung durch mein Umfeld, durch den Erhalt von Stipendien schon während des Studiums und der Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten. Über die etwaigen Nachteile habe ich mir erst mal nicht so viele Gedanken gemacht.

Wie haben Sie das zurückliegende Jahr erlebt, und wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?

Sarah Fischer: Das Jahr 2020 ist im Rückblick in seltsame Blöcke zerfallen, die nicht stimmig ineinander übergegangen zu sein scheinen oder nicht viel miteinander gemein hatten. Am 15. März kam ich von einem fünfmonatigen Stipendium in Barcelona zurück nach Greifswald, und am nächsten Tag begann der Lockdown. Da bin ich dann erst mal schön zu Hause geblieben und musste mich schütteln. Ich hatte mich so sehr auf meine sozialen Kontakte hier gefreut. Aber ich war froh, dass man draußen Sport treiben oder einfach spazieren gehen konnte. In Barcelona hatte da gerade der krasse Lockdown mit totaler Ausgangssperre begonnen, der dann zwei Monate anhalten sollte.

Ich konnte mich im Frühjahr erst mal nur schwer aufs künstlerische Schaffen konzentrieren, gefühlt hatte ich nur „Corona“ im Kopf. Die Situation schien sehr unübersichtlich und überfordernd, persönlich wie auch auf die Arbeit bezogen. Es war so demotivierend, die Absagen oder Verschiebungen geplanter Ausstellungen zu erhalten. Die ganze Struktur für das Jahr war dahin. Es wurde relativ ruhig in meinem Mail-Postfach. Ich habe versucht, mich durch den Wust an Infos zu Hilfsgeldern und Co. zu hangeln und zu verstehen, was für mich als Selbstständige infrage kommt.

Daran schloss sich dann eine Phase an, in der ich im Atelier sehr entspannt und konzentriert arbeiten konnte. Der Sommer fühlte sich sehr frei und unbelastet an. Ein Highlight war im Oktober die Eröffnung des Kultur- und Initiativenhauses Straze in Greifswald – die geballte Kulturladung in zwei Wochen mit Konzerten, Lesungen, offenem Haus und so ein bisschen limitierte Bienenstock-Atmosphäre. Alles mit einem guten Konzept, um Abstände und Hygienevorschriften einzuhalten. Nach so langer Zeit ohne war dieses Live-Erlebnis von Kunst eine große Wohltat. Es ist mein Kultur-Vorrat für den Winter-Lockdown geworden, der voraussichtlich auch noch eine ganze Weile ausreichen muss, wie es aussieht.

Mehr über Sarah Fischer

Weitere Informationen zu Sarah Fischer, ihren Arbeiten und Expositionen finden Sie auf ihrer Webseite.

Der Künstler Alexander Glandien

  • 1988 – Geboren in Bad Dürkheim / Rheinland-Pfalz
  • 2008-13 – BA-Studium der Fächer Skandinavistik und Bildende Kunst an der Universität Greifswald und Umeå universitet / Schweden mit Abschluss
  • 2013-17 – MA-Studium Bildende Kunst an der Universität Greifswald mit Abschluss
  • seit 2019 – Mitglied im Künstlerbund Mecklenburg und Vorpommern e.V. im BBK

Preise und Stipendien von Sarah Fischer

  • 2019-20: Aufenthaltsstipendium der Fabra i Coats – Fàbrica de Creació, Barcelona, Spanien
  • 2018: Preisträgerin 2018 – Kunstpreis der Mecklenburgischen Versicherungsgruppe für Bildende Kunst in Mecklenburg Vorpommern
  • 2018-19: Caspar-David-Friedrich-Stipendium des Landes Mecklenburg-Vorpommern
  • 2016-17: Mentoring KUNST, frauenbildungsnetz M-V e.V., Rostock
  • 2016: Arbeitsstipendium des Kunstvereins Röderhof e.V., Röderhof
  • 2015: Arbeitsstipendium der KARO gAG, FRIEDA 23, Rostock
  • 2014: Arbeitsstipendium der KARO gAG, FRIEDA 23, Rostock
  • 2013-14: Deutschlandstipendium, Universität Greifswald
  • 2013: Preis INSOMNALE – Wettbewerbsausstellung junger Kunst in Mecklenburg–Vorpommern, CDFI Greifswald