An knapp 1.190 Stätten in 168 Ländern hängt die Unesco-Welterbeplakette. Sie gilt als Qualitätssiegel mit hoher Glaubhaftigkeit, denn Welterbe verpflichtet. Kultur-MV hat Welterbestätten im Nordosten besucht und mit Verantwortlichen geplaudert. In mehreren Teilen geben wir Einblicke in die verschiedenen Welterbe Mecklenburgs und Vorpommerns. Teil IV:
Schwerins langer Weg zum Welterbe
Wismar und Stralsund sind es schon. Schwerin möchte es gern werden: Weltkulturerbe. Das Residenzensemble steht zwar seit 2014 auf der Vorschlagsliste. Der Weg zum Ziel ist aber weit.
Wer kam auf die Idee, Schwerin fürs Weltkulturerbe vorzuschlagen?
Schwerin und das Welterbe – das Thema ist aktuell. Die Idee aber schon ziemlich alt. Der Bürgerverein „Pro Schwerin“ stieß sie im Jahr 2000 an. Seitdem hat sie viele Unterstützer gefunden. Der Welterbe Schwerin Förderverein will die Stadt auf ihrem Weg zum Welterbe voran bringen, wird dabei von rund 40 weiteren Vereinen unterstützt und bietet auch Bürgern viele Möglichkeiten, sich einzubringen.
Was muss ein Weltkulturerbe-Kandidat mitbringen?
Er muss einen „außergewöhnlichen universellen Wert“ haben. Wegen seiner Architektur oder Technik, zum Beispiel. Oder seiner kulturellen Tradition. An einem Weltkulturerbe kann man noch heute erkennen, wie Menschen früher gelebt, gewohnt und gearbeitet haben. Insgesamt legt die Unesco zehn Kriterien zugrunde, von denen mindestens eins erfüllt sein muss. Unabhängig davon muss das potentielle Weltkulturerbe natürlich echt und unversehrt sein. Gleichzeitig ist es wichtig, das Weltkulturerbe mit Leben zu füllen. Welterbestätten sind keine toten Museen, sondern lebendige Kulturorte. Und eines ist sicher: Historische Bauten und moderne Architektur schließen sich nicht aus, wie auch Wismar und Stralsund zeigen.
Womit möchte Schwerin punkten?
Mit seinem Schloss, klar! Aber nicht nur. Die Bewerbung bezieht das gesamte Residenzensemble ringsherum mit ein, das sich bislang aus 43 Bauten und Anlagen zusammensetzt: den Alten Garten, das Mecklenburgische Staatstheater, das Staatliche Museum, den Dom, das Neustädtische Palais, das Landeshauptarchiv und den Marstall – um nur einige Beispiele daraus zu nennen.
Was macht dieses Residenzensemble so besonders?
Im Stile des Historismus erbaut, zeugt es von der letzten Blüte höfischer Kultur im 19. Jahrhundert. Besonders auffallend ist der gut erhaltene Zustand und die Gesamtheit der Gebäude. Nicht zuletzt spiegelt sich darin auch der Lauf einer 1000-jährigen (Herrschafts)Geschichte wider – vom Herrschaftssitz der slawischen Obotriten über die Zeit der Herzöge bis zum Zentrum der Demokratie.
Ist die Bewerbung allein eine Sache der Stadt Schwerin?
Nein. Landeshauptstadt, Land und Landtag arbeiten partnerschaftlich zusammen. Bei Welterbe-Managerin Claudia Schönfeld laufen die Fäden zusammen. Sie koordiniert quasi schon heute, das Welterbe von morgen.
Wie weit ist Schwerin auf dem Weg in Richtung Weltkulturerbe schon vorangekommen?
Die Landeshauptstadt steht seit 2014 auf der Vorschlagsliste für künftige Nominierungen aus Deutschland. Damit hat sie eine wichtige Hürde genommen, denn nur wer es auf diese Liste schafft, wird auch dem Welterbekomitee als potentielles Weltkulturerbe vorgeschlagen. Pro Jahr kann Deutschland zwei Bewerbungen einreichen. Wer in welchem Jahr seinen Antrag bei der Unesco einreichen darf, das bestimmt die Kultusministerkonferenz in Absprache mit dem Bundesumweltministerium.
Wie lange wird es noch dauern, bis eine abschließende Entscheidung fällt?
Auf der Tentativliste stehen mehrere Kandidaten. Wann das Komitee über eine Aufnahme von Schwerin in die Welterbeliste entscheiden wird, steht noch nicht fest. Oberbürgermeister Rico Badenschier rechnet damit, dass das Residenz-Ensemble Schwerins im Jahr 2023 oder 2024 die Welterbe-Plakette verliehen bekommt. Genau kann das natürlich niemand sagen. Fakt ist aber, dass dies nicht vor 2020 geschehen wird, denn für 2019 sind die Kandidaten bereits gesetzt. Von der Abgabe der Nominierung bis zur Entscheidung des Welterbekomitees vergehen dann noch einmal mindestens 18 Monate. So lange dauert es, bis die Gutachter die Bewerbung geprüft haben.
Wie geht es jetzt für Schwerin weiter?
Welterbe zu werden, ist eine Wissenschaft für sich. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Denn jetzt und für die Zukunft heißt es erst einmal: forschen, forschen, forschen, um nicht nur die Bewerbung später mit überzeugenden Argumenten zu untermauern. Dafür ist an der Hochschule Wismar sogar eine Welterbe-Professur eingerichtet worden. Schwerin muss sich außerdem einen Plan machen, wie es das Kulturerbe schützen, verwalten, weiterentwickeln und in die Öffentlichkeit tragen möchte. Dieser „Management-Plan“ ist ein wichtiger Teil der Bewerbung. Dokumentationen, Gutachten, Studien – am Ende sind die Anträge wie in Schwerin inzwischen oft mehr als 1.000 Seiten dick. Zum Vergleich: Die Bewerbung für den Aachener Dom, der 1978 als erstes deutsches Kulturdenkmal auf die Welterbeliste gesetzt wurde, war nur wenige Seiten lang.