Schwerin von oben. Mit der Innenstadt, der Schlossinsel, dem Schloss und dem Schweriner See.
01.06.2022

Schwerin verfeinert Welterbe-Idee

Der rechte Flügel eines Fensters im Rathaus ist geöffnet. Der Blick fällt auf den Marktplatz. Der Himmel ist blau. Zu sehen sind der Schweriner Dom, ein weißes historisches Gebäude und ein Fachwerkhaus.
Der höchste Kirchturm Ostdeutschlands steht mitten in Schwerin und gehört zum Dom. Den Rekord hält er mit seinen 117,5 Metern knapp vor der St. Petri Kirche in Rostock: Beide Spitzen trennen nur einen halben Meter.
Es ist dunkel. Das orangefarbene Arsenalgebäude am Schweriner Pfaffenteich wird angestrahlt und spiegelt sich im Wasser.
Im Arsenal am Pfaffenteich hat das Innenministerium seinen Sitz. Das Gebäude wurde zunächst als Zeughaus und nach dem Ersten Weltkrieg als Polizeikaserne genutzt.
Das Staatliche Museum in Schwerin bei Nacht. Die Fenster sind beleuchtet. Der historische Bau mit seinem Säuleneingang wird blau angestrahlt und spiegelt sich im Boden.
Weit mehr als 100.000 Kunstobjekte gehören zur Sammlung des Staatlichen Museums.
Der Schweriner Pfaffenteich bei Nacht. Straßenlichter erhellen die historischen Häuser am Südufer. Häuser und Licht spiegeln sich im Wasser.
Ebenfalls Teil des Ensembles: Der Pfaffenteich und seine Uferpromenade.
Ein Fachwerkgebäude von außen.
Das 1895 errichtete „Großherzogliche Waschhaus“ war die erste moderne Dampfwaschanstalt in Mecklenburg - und eines der letzten Gebäude von Hofarchitekt Hermann Willebrand.
Die Hochschule von außen. Sie hat eine rot-beige Fassade.
Der Grundstein für das Fridericianum am Pfaffenteich wurde im Mai 1868 gelegt. Zweieinhalb Jahre später ist der Schulkomplex fertig. Heute befindet sich hier die Fachhochschule des Mittelstands Schwerin.

Die Landeshauptstadt möchte Unesco-Welterbe werden. Die Bewerbungsunterlagen sind jetzt fertig – und legen ihren Schwerpunkt auf das Residenzensemble. Die Idee, mit einer „Kulturlandschaft des romantischen Historismus“ zu punkten, wurde verworfen. Im Ergebnis sind manche Gebäude aus dem Antrag gefallen, andere neu hinzugekommen. 

Wie wird man Unesco-Welterbe? Schlägt man im Handbuch zur „Erstellung von Welterbenominierungen“ nach, steht Schwerin am Ende von Kapitel vier: dem Nominierungsdossier. In diesem Teil der Bewerbung muss Schwerin sein Ansinnen, Welterbe zu werden, wissenschaftlich und denkmalpflegerisch begründen und die Besonderheiten seines Residenzensembles im internationalen Vergleich belegen. Die Kriterien dafür hat die Unesco genau festgelegt. Das Dossier ist für das Welterbe-Komitee eine wichtige Grundlage für die Entscheidung, ob aus einer Nominierung auch ein Welterbe wird. 

Eine Wissenschaft für sich

Eine solche Bewerbung zu erarbeiten, ist ein langer Prozess. Seit Aufnahme des Residenzensembles auf die deutsche Tentativliste im Jahr 2014 begleiten lokale und überregionale Fachleute wie Kunsthistoriker/innen, Architekten und Unesco-Experten diesen Weg. Tagungen und Forschungsprojekte halfen, das Residenzensemble weiter zu erforschen, auf seine historische Echtheit (Authentizität) und Unversehrtheit (Integrität) zu prüfen und seinen außergewöhnlichen universellen Wert zu formulieren. Dafür wurde an der Hochschule Wismar sogar eine Welterbe-Professur eingerichtet. 

Für die Aufnahme in die Welterbeliste gibt es insgesamt zehn Kriterien, an denen sich ein universeller Wert ausrichten kann. Jeder Bewerber muss mindestens eines davon erfüllen. Schwerin stützt sich auf die Kriterien (iii) und (iv). 

Kriterium drei fordert, dass die angemeldeten Kulturgüter „ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen“. Kriterium vier erwartet, dass sie „ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Menschheitsgeschichte versinnbildlichen“. 

Drei neue Beispiele

Die Landeshauptstadt hat das Nominierungsdossier nun fertiggestellt. „Dabei wurde in den letzten Überarbeitungen der Fokus verstärkt auf das außergewöhnlich umfassend erhaltene Ensemble mit seinen zahlreichen Bau- und Gartendenkmälern gelegt“, sagt Welterbe-Koordinatorin Linda Holung. Damit liegt der Schwerpunkt nun auf einem gewachsenen Residenzensemble mit Bauten aus dem 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert - und mehr als 30 Gebäuden. Die Idee einer „Kulturlandschaft des romantischen Historismus“ wurde dagegen verworfen. 

Neue Ansätze zu prüfen, ursprüngliche Gedanken zu verwerfen – das ist in Forschung und Wissenschaft nicht ungewöhnlich. Und führt nun dazu, dass der Antrag um drei Beispiele ergänzt wurde: um die Gebäude der ehemaligen Hoflieferanten Uhle, Wöhler und Krefft. Gleichzeitig entfielen laut Stadt bisherige Bestandteile wie die Schleifmühle, die Kücken-Stiftung, die Kuetemeyer-Schencke-Steinickesche Stiftung, das Brandensteinische Palais und die Insel Kaninchenwerder, da sie die Anforderungen der Unesco an Authentizität oder andere Kriterien nicht hinreichend erfüllten. 

„Mit der Fertigstellung des Nominierungsdossiers sind unsere Antragsunterlagen jetzt komplett. Es war wichtig, das Dossier im Expertenbeirat noch einmal zu schärfen. Das erhöht unsere Chancen für ein positives Votum“, unterstreicht Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier. Nun muss noch die Stadtvertretung zustimmen. Die Abstimmung ist für die Septembersitzung vorgesehen. 

Neben dem Nominierungsdossier gehört zur Bewerbung auch ein Managementplan. Er beschreibt, wie das Residenzensemble als Welterbestätte geschützt, gepflegt, genutzt und entwickelt werden soll. Er wurde bereits im März 2022 in der Stadtvertretung beschlossen. 

Wie geht es weiter? 

Jetzt werden das Nominierungsdossier und der Managementplan ins Englische übersetzt. Im September sollen sie zur offiziellen Vorprüfung eingereicht werden. Stichtag für die Abgabe der vollständigen Bewerbungsunterlagen bei der Unesco in Paris ist der 1. Februar 2023.

Dann schlägt Schwerin im Handbuch das letzte Kapitel auf: Nun prüfen verschiedene Gremien und Sachverständige der Unesco den Antrag auf Herz und Nieren. Auf dem Papier. Und in Schwerin vor Ort. Ihre Einschätzung mündet in einen weiteren Bericht. 

Ob Schwerin die Unesco mit seiner Welterbe-Bewerbung überzeugt hat – das wird sich voraussichtlich im Sommer 2024 zeigen: Dann soll die Entscheidung fallen. 

Rechts steht die Staatskanzlei. Sie hat eine weiße Fassade. Links befindet sich ein Fachwerkhaus. Zwischen beiden Gebäuden fällt die Sichtachse in der Ferne auf das Schloss.
Links: das Alte Palais. In der Mitte: das Schloss. Rechts: der heutige Sitz der Staatskanzlei. Auch diese Gebäude gehören zum Residenzensemble. Schwerin und das Welterbe – das Thema ist aktuell. Die Idee aber schon ziemlich alt. Der Bürgerverein „Pro Schwerin“ stieß sie im Jahr 2000 an.