Schwerin verfeinert Welterbe-Idee
Die Landeshauptstadt möchte Unesco-Welterbe werden. Die Bewerbungsunterlagen sind jetzt fertig – und legen ihren Schwerpunkt auf das Residenzensemble. Die Idee, mit einer „Kulturlandschaft des romantischen Historismus“ zu punkten, wurde verworfen. Im Ergebnis sind manche Gebäude aus dem Antrag gefallen, andere neu hinzugekommen.
Wie wird man Unesco-Welterbe? Schlägt man im Handbuch zur „Erstellung von Welterbenominierungen“ nach, steht Schwerin am Ende von Kapitel vier: dem Nominierungsdossier. In diesem Teil der Bewerbung muss Schwerin sein Ansinnen, Welterbe zu werden, wissenschaftlich und denkmalpflegerisch begründen und die Besonderheiten seines Residenzensembles im internationalen Vergleich belegen. Die Kriterien dafür hat die Unesco genau festgelegt. Das Dossier ist für das Welterbe-Komitee eine wichtige Grundlage für die Entscheidung, ob aus einer Nominierung auch ein Welterbe wird.
Eine Wissenschaft für sich
Eine solche Bewerbung zu erarbeiten, ist ein langer Prozess. Seit Aufnahme des Residenzensembles auf die deutsche Tentativliste im Jahr 2014 begleiten lokale und überregionale Fachleute wie Kunsthistoriker/innen, Architekten und Unesco-Experten diesen Weg. Tagungen und Forschungsprojekte halfen, das Residenzensemble weiter zu erforschen, auf seine historische Echtheit (Authentizität) und Unversehrtheit (Integrität) zu prüfen und seinen außergewöhnlichen universellen Wert zu formulieren. Dafür wurde an der Hochschule Wismar sogar eine Welterbe-Professur eingerichtet.
Für die Aufnahme in die Welterbeliste gibt es insgesamt zehn Kriterien, an denen sich ein universeller Wert ausrichten kann. Jeder Bewerber muss mindestens eines davon erfüllen. Schwerin stützt sich auf die Kriterien (iii) und (iv).
Kriterium drei fordert, dass die angemeldeten Kulturgüter „ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen“. Kriterium vier erwartet, dass sie „ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Menschheitsgeschichte versinnbildlichen“.
Drei neue Beispiele
Die Landeshauptstadt hat das Nominierungsdossier nun fertiggestellt. „Dabei wurde in den letzten Überarbeitungen der Fokus verstärkt auf das außergewöhnlich umfassend erhaltene Ensemble mit seinen zahlreichen Bau- und Gartendenkmälern gelegt“, sagt Welterbe-Koordinatorin Linda Holung. Damit liegt der Schwerpunkt nun auf einem gewachsenen Residenzensemble mit Bauten aus dem 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert - und mehr als 30 Gebäuden. Die Idee einer „Kulturlandschaft des romantischen Historismus“ wurde dagegen verworfen.
Neue Ansätze zu prüfen, ursprüngliche Gedanken zu verwerfen – das ist in Forschung und Wissenschaft nicht ungewöhnlich. Und führt nun dazu, dass der Antrag um drei Beispiele ergänzt wurde: um die Gebäude der ehemaligen Hoflieferanten Uhle, Wöhler und Krefft. Gleichzeitig entfielen laut Stadt bisherige Bestandteile wie die Schleifmühle, die Kücken-Stiftung, die Kuetemeyer-Schencke-Steinickesche Stiftung, das Brandensteinische Palais und die Insel Kaninchenwerder, da sie die Anforderungen der Unesco an Authentizität oder andere Kriterien nicht hinreichend erfüllten.
„Mit der Fertigstellung des Nominierungsdossiers sind unsere Antragsunterlagen jetzt komplett. Es war wichtig, das Dossier im Expertenbeirat noch einmal zu schärfen. Das erhöht unsere Chancen für ein positives Votum“, unterstreicht Schwerins Oberbürgermeister Rico Badenschier. Nun muss noch die Stadtvertretung zustimmen. Die Abstimmung ist für die Septembersitzung vorgesehen.
Neben dem Nominierungsdossier gehört zur Bewerbung auch ein Managementplan. Er beschreibt, wie das Residenzensemble als Welterbestätte geschützt, gepflegt, genutzt und entwickelt werden soll. Er wurde bereits im März 2022 in der Stadtvertretung beschlossen.
Wie geht es weiter?
Jetzt werden das Nominierungsdossier und der Managementplan ins Englische übersetzt. Im September sollen sie zur offiziellen Vorprüfung eingereicht werden. Stichtag für die Abgabe der vollständigen Bewerbungsunterlagen bei der Unesco in Paris ist der 1. Februar 2023.
Dann schlägt Schwerin im Handbuch das letzte Kapitel auf: Nun prüfen verschiedene Gremien und Sachverständige der Unesco den Antrag auf Herz und Nieren. Auf dem Papier. Und in Schwerin vor Ort. Ihre Einschätzung mündet in einen weiteren Bericht.
Ob Schwerin die Unesco mit seiner Welterbe-Bewerbung überzeugt hat – das wird sich voraussichtlich im Sommer 2024 zeigen: Dann soll die Entscheidung fallen.
Weitere Infos
... gibt es
- auf der offiziellen Webseite des Landes zur Welterbe-Bewerbung
- auf der Homepage der Stadt Schwerin
- auf den Seiten vom Welterbe Schwerin Förderverein