Glaisin - ein ganz besonderes Dorf
In Mecklenburg gibt es schöne Dörfer, lustige Dörfer, aufregende Dörfer, die immer mal wieder von sich reden machen. Glaisin ist so ein Dorf. Das 334-Seelen-Nest in der Griesen Gegend ist so idyllisch, dass es Gäste wie ein Magnet anzieht.
Hochzeitspärchen aus allen Himmelsrichtungen und Metropolen wie Hamburg zieht es herbei. Fröhlich schallt es vom 200 Jahre alten Forsthof, der heute ein Hochzeitshof und Außenstandort des Standesamtes Ludwigslust ist. Vergnügt schlendern die Gäste durch das hufeisenförmig angelegte Dorf, das nach der Wende 1989/90 instinktiv vieles richtig machte. Das Grund und Boden fest in den Händen behielt, den Forsthof vom Land kaufte und sich an die Fördertöpfe hängte, um Straßen pflastern zu können und 200 Linden, 60 Eichen und zwei Kilometer Hecke zu pflanzen. Um das Gesamtbild des Ortes nicht durch Häuserwildwuchs zu verschandeln, einigte man sich auf einheitlich rote Dächer und Türen aus Holz.
Goldmedaille beim Bundeswettbewerb
Den Lohn für diese Weitsicht gab es 1999, als Glaisin die Goldmedaille beim Bundeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner“ werden gewann. Ein Jahr später wurde es auf der Expo 2000 in Hannover zum offiziellen Ausstellungsdorf ernannt. Bis zum Ende der Weltausstellung pilgerten 5000 Besucher in den Ort. Danach ging es etwas beschaulicher zu.
Doch in Vergessenheit geriet Glaisin nie. Schon allein wegen seiner Geschichte. Im 19. Jahrhundert verließen 350 verarmte Menschen das Dorf, um in der neuen Welt ihr Glück zu suchen. Deren Nachfahren reisen bis heute an, um hier nach ihren Wurzeln zu suchen. Der Schriftsteller Johannes Gillhoff, der von 1861 bis 1930 in Glaisin lebte und neben Richard Wossidlo zu den maßgeblichen Pionieren der mecklenburgischen Volkskunde zählt, beschrieb in seinem humorvollen Roman „Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer“ das Schicksal eines jener Auswanderer. In einer Passage heißt es: „Es ist ein Dorf, schlecht und recht wie tausend andere. Die Gänse gehen dort barfuß, und in trockenen Jahren geht mehr Wind unter den Kühen durch, als den Bauern lieb ist.“ Bauern gibt es heute nicht mehr so viele wie damals, dafür jede Menge Leute, die stolz auf ihr „Landleben“ sind und gleichzeitig die Zukunft im Blick behalten.
„Schönheit ist nämlich nicht alles“
„Schönheit ist nämlich nicht alles“, sagt Ortsvorsteher Holger Friel. „Wichtig ist, dass die Menschen Verantwortung übernehmen. Und das tun sie. Die Generation der 30-Jährigen legt sich in wirtschaftlichen Zweigen wie Hochzeitshof, Ferienhof und Hofcafé ebenso ins Zeug wie in der Freiwilligen Feuerwehr und im Dorfleben.“
Waren es zur Expo vor allem die Landfrauen, die Glaisin auf Trab hielten, sind es aktuell die jungen Frauen, die mit neuen Ideen vorangehen und sogar mit einem JungunternehmerInnen-Stammtisch das 731 Jahre alte Dorf neu beleben. Ansonsten hat auch Glaisin wie die meisten Dörfer mit der Altersstruktur zu kämpfen. „Aber es wird langsam“, sagt Holger Friel. „In meiner Straße gibt es aktuell acht Grundstücke und zwölf Kinder von 0-18 Jahren, also wieder mehr Menschen als Pferde, wie ich immer gerne sage.“
Das alte Glaisin digital nachgebildet
Auf der Suche nach trittsicheren Zukunftswegen, geht die Dorfgemeinschaft strategisch vor. 2015 bat sie Professor Bombeck von der „Schule der Landentwicklung“ in Rostock um Rat. Der empfahl den Glaisinern einen integrierenden Dorfverein zum Leben zu erwecken - sozusagen einen Gemütlichkeitsverein für Jung und Alt. Ausbauen wollen die Glaisiner auch ihren Jugendclub - zu einem Mehrgenerationendorfzentrum. Schon jetzt sind die Kids mit bester Technik ausgestattet. IPads wurden angeschafft, 3 D-Drucker kommen demnächst. Die jungen Leute machen sich daran, das alte Glaisin von 1860 digital nachzubilden und als 3D-Modell auszudrucken.
„Wir versuchen, die Kinder über neu ausgerichtete Dorffeste zu integrieren“, erklärt Holger Friel. „Rock & Church ist so ein Beispiel, wo wir Kirche, Dorf und frühere Rocknacht zu einem neuen Event von 0 bis 100 machen. Wichtig ist uns, das Augenmerk verstärkt auf die Glaisiner selbst zu richten. Denn wir sind da ganz und gar der Meinung von Professor Bombeck, der da sagte: „Es wurde in der Vergangenheit auch in MV zu viel in Beton und zu wenig in Menschen investiert.“
Text und Foto: Anja Bölck