07.03.2025

„Song from the Uproar“

Eine Frau reitet auf einem Pferd durch flaches Wasser.
Mezzosopranistin Pihla Terttunen übernimmt die Hauptrolle.

Premiere am Theater Vorpommern in Greifswald: Aufgeführt wird Missy Mazzolis Kammeroper „Song from the Uproar: The Lives and Deaths of Isabelle Eberhardt“.

Isabelle Eberhardt (1877-1904) war eine der einzigartigen und ungewöhnlichsten Frauen ihrer Zeit. Nach dem Tod ihrer Eltern und ihres Bruders gab sie zwanzigjährig ihr Leben in der Schweiz auf, um fortan als „Nomadin“ durch die Wüsten Nordafrikas zu ziehen. Sie reiste meistens auf dem Rücken eines Pferdes, oftmals in Männerkleidung und dokumentierte ihre Reisen detailliert in Tagebüchern, die sie bereits zu Lebzeiten unter Pseudonym veröffentlichte. Im Alter von 27 Jahren starb sie bei einer Überflutung. Man fand ihren Leichnam zusammen mit ihrem einzigen Nachlass: den Skizzen für einen neuen Roman...

„Song from the Uproar“ erzählt Isabelle Eberhardts Leben in einer fragmentierten, traumähnlichen Form. Als große Themen im Zentrum stehen der Tod ihrer Familie, die überwältigende Freude bei ihrer Ankunft in Afrika, das zaghafte Glück des Verliebtseins, die Euphorie der Selbstfindung und das Mysterium des Todes. Die Oper verbindet Live-Instrumente, Gesang und Elektronik, um eine kraftvolle Klangwelt zu schaffen, die vor allem auf der Gefühlsebene des Rezipienten wirkt.

Die Musik ist geprägt von Wiederholungsmustern, expressiven Melodien und einer intensiven emotionalen Dichte. Die Kombination aus traditionellen Instrumenten und elektronischen Klangflächen verleiht dem Werk eine zeitgenössische Dramatik, die die innere Welt von Eberhardt, ihre eigenen Wüstenstürme, so könnte man sagen, spürbar macht. Seit der Uraufführung 2012 in New York hat „Song from the Uproar“ internationale Anerkennung erhalten. Kritiker loben Mazzolis Fähigkeit, mit moderner Musik tiefe Emotionen zu erzeugen. Die Oper wird als ein Meilenstein in der Kammeroper betrachtet und hat junge Komponistinnen weltweit inspiriert.

Eberhardts Geschichte – die einer Frau, die sich gegen gesellschaftliche Normen auflehnte und für ihre Freiheit kämpfte – ist heute relevanter denn je. Mazzolis Werk verleiht dieser beeindruckenden historischen Figur eine moderne Stimme.

Die Komponistin

Missy Mazzoli wurde 1980 in Lansdale, Pennsylvania, geboren. Sie begann mit sieben Jahren, Klavier zu spielen, und zehnjährig schuf sie ihre ersten Kompositionen. Sie studierte an renommierten Institutionen wie dem Boston University College of Fine Arts und der Yale School of Music. Ihre Werke vereinen klassische Elemente mit Indie-Rock, Elektronik und minimalistischem Einfluss. Mazzoli hat sich mit Werken wie „Vespers for a New Dark Age“ und der Oper „Breaking the Waves“ einen Namen gemacht. Bis heute hat sie fünf Opern komponiert, die alle für ihre innovative Musik und tiefgründigen Themen bekannt sind: „Song from the Uproar: The Lives and Deaths of Isabelle Eberhardt“ (2012), „Breaking the Waves“ (2016), „Proving Up“ (2018), „Orpheus Alive“ (2019) und „The Listeners“ (2021). 2018 wurde Mazzoli als eine der ersten Frauen zur Composer-in-Residence der Metropolitan Opera in New York ernannt – ein bedeutender Meilenstein in der Welt der klassischen Musik.

Zur Inszenierung

Die Musik trägt das Publikum durch eine Abfolge intensiver Erlebnisse – keine Geschichte im klassischen Sinne, sondern eine atmosphärische, ritualhafte Erfahrung. Ein Zustand zwischen meditativer Trance und wacher Klarheit. Wiederholung und Fokus verdichten die Wahrnehmung, verstärken das Gefühl des Hier und Jetzt. Es geht um Sehnsucht, um eine tiefe, fast göttliche Präsenz.

Das Bühnen-Raum-Konzept wurde eigens für den Kaisersaal konzipiert, so dass die Zuschauertribüne direkt in den bespielbaren Bühnenraum integriert wird, die Grenzen zwischen Bühnen- und Zuschauerraum also aufgebrochen sind. 100 Stühle auf der einen Seite der Zuschauertribüne sind als Sitzplätze fürs Publikum reserviert, während die übrigen 100 Stühle zum Teil verstreut auf der anderen Seite der Zuschauertribüne aufgestellt sind bzw. sich auf den eigentlichen Bühnenraum erstrecken und bespielt werden. Auf der Seite der bespielbaren Stühle des Raumes stehen die Stühle lückenhaft gruppenweise in Reihen, als Spiegel von Oasen der Einsamkeit. Die Zuschauer, auf der gegenüberliegenden Seite, sind einerseits Teil dieser Landschaft und sitzen andererseits zugleich isoliert. Die Bespielung der Tribüne verlagert den Fokus, schafft Nähe und Distanz zugleich.

Im linken hinteren Teil der Bühne türmt sich eine Stuhlskulptur auf, ein Wasserfall aus Sitzgelegenheiten, ein stummer Strom aus erstarrtem Material. Die Musiker befinden sich als „Insel“ im rechten mittleren Teil des Bühnenraums, doch auch hier werden die Grenzen bisweilen aufgebrochen, wenn die Protagonistin in einer der Szenen selbst als Musikerin am Flügel Besitz von diesem Ort ergreift. Auch akustisch bietet die Bespielung des ganzen Raumes viele verschiedene interessante Möglichkeiten für den Gesamtklang, wenn von der Komponistin vorproduzierte Klänge und Stimmen, Electronics, mit Live-Stimmen und Live-Instrumenten kombiniert werden.

Die Damen und Herren des Opernchors agieren zwar in manchen Szenen als Figuren im klassischen Sinne, übernehmen jedoch zum Großteil die Funktion, Isabelles ICH zu spiegeln. Sie sind Fragmente der Protagonistin selbst, ihre inneren Stimmen, ihr Echo, ihre Zerrissenheit. Und so existiert auch Slimène, Isabelles Geliebter, nur in ihrer Erinnerung, in der unaufhörlichen Sehnsucht, der Sehnsucht nach Verbindung, die nie gestillt wird.

Das Publikum begleitet die Protagonistin auf ihrer Reise und wird hineingezogen in eine Welt zwischen Wirklichkeit und Illusion. Ein performativer Abend, der starke Bilder schafft und das Publikum nicht nur kraft der Musik in seinen Bann zieht.

Die nächsten Termine

Greifswald: Stadthalle / Kaisersaal

15.3.2025, 19.30 Uhr (Premiere)

22.3.2025, 19.30 Uhr

30.3.2025, 18 Uhr

27.4.2025, 18 Uhr

15.5.2025, 19.30 Uhr

1.6.2025, 16 Uhr

www.theater-vorpommern.de