Konzertabend in Schwerin: Mein blaues Klavier
Schwerin, 25. September. „Mein blaues Klavier“ heißt das Konzert des Deutschen Tonkünstlerverbandes M-V. Wir sprachen mit der Landesvorsitzenden Martina Scharstein über Werke jüdischer Komponist/innen von der Romantik bis zur heutigen Zeit - und über das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland”.
Mit einem blauen Klavier beginnt ein Gedicht...
Martina Scharstein: „Ich habe zu Hause ein blaues Klavier. Und kenne doch keine Note. Es steht im Dunkel der Kellertür, seitdem die Welt verrohte.“ Das sind die ersten Verse eines Gedichts von Else Lasker-Schüler, welches sie 1937 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlichte. 1933 war die gebürtige Wuppertalerin in die Schweiz emigriert; 1939 ließ sie sich in Jerusalem nieder, wo sie 1945 im Alter von 75 Jahren starb. Sie wird auch als „die Dichterin der jüdischen Seele“ bezeichnet. Mit diesem Gedicht inspirierte sie den Komponisten Haim Alexander (1915-2012) zu einem Werk für Sängerinnen und Perkussion. Auch Haim Alexander stammte aus Deutschland. Sein Musikstudium am Konservatorium in Berlin musste er 1936 abbrechen; er emigrierte nach Palästina.
„Mein blaues Klavier“ heißt Ihr Konzertabend.
Als Musikerin finde ich den Titel absolut inspirierend, weil er überraschend klingt und man erst einmal keine Ahnung hat, worum es geht, bevor man das Gedicht dann gelesen hat. Außerdem weist das Klavier im Titel auf Musik hin. Die Vertonung des Textes von Haim Alexander ist sehr beeindruckend.
Musik jüdischer Komponistinnen und Komponisten wird zu hören sein. Welche Stücke sind dabei?
Es werden drei Intermezzi für Altblockflöte und Klavier von Hans Gál (1890-1987) zu hören sein, zwei Sätze aus der „Baal Shem Suite” für Violine und Klavier von Ernest Bloch (1890-1959) sowie die Sonate für Violine solo von Paul Ben-Haim (1897-1984). Das ist selten gespielte spätromantische Musik, die sehr ans Herz geht. Das Kernstück des Abends ist für mich allerdings ein sehr kurzes: „My shining Sons“ des amerikanisch-deutschen Rabbiners und Komponisten Daniel S. Katz (1960). Der Text basiert auf dem Midrasch Mishle, das ist ein mittelalterlicher rabbinischer Kommentar. Drei Frauenstimmen a capella erzählen ein herzzerreißendes religiöses Gleichnis. Diese Komposition ist psychologisch feinfühlig und unglaublich emotional aufgebaut.
Auch ein Besuch in Tel Aviv hat Einfluss auf das Programm.
Als Bogen in das heutige jüdische Leben – sowohl in Deutschland als auch in Israel – singen wir Vokalwerke von befreundeten Komponistinnen, die wir 2017 in Tel Aviv besuchen und im schönen Konzertsaal des dortigen Konservatoriums aufführen durften. Hagar Kadima (1957) ist Komponistin und Malerin in Tel Aviv-Jaffa; eine sehr feine Persönlichkeit, was man ihren Zeichnungen und Kompositionen anmerkt. Das Stück „An Ancient Silence” nach einem Gedicht von Nathan Sach wird auf Neuhebräisch gesungen. Vor jeder Aufführung muss man (ich jedenfalls!) den Text wieder so üben, als ob man ihn nie gesehen hätte, so virtuos schnell sind die Silben geschrieben. Und so fremd ist uns Mitteleuropäern auch die Sprache. Wir hatten das Glück, dass uns die Komponistin den Text für ein Aufnahmegerät einsprach. Wir ernteten bei unserem Konzert 2017 jedenfalls begeisterte Bravorufe des einheimischen Publikums!
Der Konzertabend am 25. September hat ein Festjahr zum Anlass.
Das Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Es wird beworben unter dem #2021JLID. Seit dem Jahr 321 ist jüdisches Leben und Kultur in Deutschland nachgewiesen. Das Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hatte zusammen mit dem Verein „321-2021“ Vereine und Verbände aufgefordert, dieses besondere Festjahr zu gestalten. Wir sind dieser Aufforderung mit Freuden nachgekommen.
Was möchte der Deutsche Tonkünstlerverband zu diesem Festjahr beitragen?
Als Musikerinnen und Musiker möchten wir natürlich zuallererst zeigen, was für eine unglaubliche Vielfalt es in der jüdischen Musik gibt. Wir können ja nur einen winzigen Ausschnitt zeigen, der sich vorwiegend auf die spätromanische Epoche bis heute erstreckt und sich mit der eher ernsten Musik auseinandersetzt. Wir haben des Weiteren Stücke ausgesucht, die religiösen Bezug haben und dadurch etwas von der besonderen Mentalität der Juden und ihres Glaubens zeigen. Als weltoffene Bürger dieses Landes möchten wir unseren Respekt und Toleranz gegenüber Menschen mit jüdischem Glauben bekräftigen und freuen uns, dass wieder so viele Jüdinnen und Juden in Deutschland leben. Übrigens auch viele junge Israelis.
Wer wird auf der Bühne zu erleben sein?
Anke Schmidt-Weißer, Altblockflöte; Yuko Mine-Ellinger, Klavier; Matthias Ellinger, Violine. Als Gast: Ensemble <belcanto>- Frankfurt, dem ich selbst als Sängerin und Managerin angehöre. Ich freue mich besonders, dass die Firma Piano Kunze privat einen original Perzina-Flügel besitzt und diesen ausnahmsweise für das Konzert im schönen Perzinasaal zur Verfügung stellt.
Und wer führt durch das Programm?
Der renommierte Musikredakteur der FAZ, Gerhard R. Koch, wird sachkundig moderieren.
Service
Samstag, 25.9.2021, 19:30 Uhr: „Mein blaues Klavier“. Kartenverkauf an der Abendkasse; Reservierungen telefonisch unter 0385-512670; 15,- Euro Erwachsene; Schüler/innen und Student/innen sowie Rentner/innen und Personen mit Behinderungen ermäßigt 10,- Euro. Das Konzert wird vom Kulturamt der Stadt Schwerin sowie vom Justizministerium M-V gefördert.
Das Konzert im Kulturportal - hier
Hintergrund zum Deutschen Tonkünstlerverband M-V - hier