24.01.2017

„Klavier spielen verlängert das Leben“

Joja Wendt sitzt auf einem grünen Sofa, erzählt und gestikuliert. Im Hintergrund hängen Bilder an der Wand.
Pianist Joja Wendt in Schwerin: "Ich folge meinem inneren Ruf."

Er hat beständig Hunger nach den Tasten, gilt als Deutschlands erfolgreichster Pianist und gibt 2017 nur ein Konzert in Mecklenburg-Vorpommern, am 30. März in Schwerin. Auf seiner Tour „Alles andere als Piano – die Kunst des Unmöglichen“ vereint Joja Wendt Virtuosität, Charisma und Leidenschaft – und bleibt dabei ganz er selbst. Genauso offen spricht der Ausnahmekünstler mit kultur-mv.de über seinen inneren Ruf, eine zufällige Begegnung mit Joe Cocker, Freizeit am Klavier und Omas Pflaumenkuchen.

Klavierspielen ist ein Teil von Ihnen selbst, macht Sie glücklich und Sie haben nachgewiesen, dass Musik das Leben verlängert...

Joja Wendt: Ja, es ist nachgewiesen, dass Leute, die Klavier spielen, weniger krank werden. Dafür gibt es biorhythmische Belege. Ich erkläre es mal vereinfacht: Wenn Du Klavier spielst, benutzt Du beide Hände. Gleichzeitig siehst Du die Noten, setzt das Signal mit Deinen Händen um und hörst die Musik. Alle diese Verbindungen haben positive neuronale Auswirkungen auf das Gehirn. Durch dieses Training sinkt die Wahrscheinlichkeit, zum Beispiel an einem Herzleiden oder an Demenz zu erkranken. Aber das gilt natürlich nicht nur für Klavier spielen sondern für sämtliche Beschäftigungen. Für mich kann ich sagen: Klavierspielen macht mich vor allem glücklich – und wer glücklich ist, lebt auch länger.

Hat Sie Klavier spielen schon immer mit Glück erfüllt?

Also, ich werde oft gefragt, wie ich über die Pubertät gekommen bin, diese mühsame Zeit, in der die Eltern komisch werden. In der Zeit habe ich mit Klavierstunden aufgehört, aber nicht mit dem Üben. Ich habe einfach so weiter gespielt. Klavierspielen war da auch Stressabbau. Dieses freie Spiel nur für mich, diente als Ventil. Klavierspielen ist ja übrigens für Kinder sehr gesund, auch wenn sie erst einmal nur auf die Tasten hauen.

Aber dann haben Sie doch wieder mit Unterricht angefangen, sogar mit einem Studium...

...das wollte mein Vater. Als ich ihm gesagt habe, ich will Musik machen, da sagte er: „Okay, aber ich will, dass Du das dann von der Pieke auf lernst.“ Ich hatte aber zum Glück niemanden, der mir die Pistole auf die Brust gesetzt hat. Ich bin einem inneren Ruf gefolgt. Ich wollte immer selbst mehr, als ich üben konnte. Das muss ich erklären: Ich bin eines von neun Kindern. Ich musste stets Rücksicht nehmen. Und vielleicht ist Klavierspielen dann auch so etwas wie Omas Pflaumenkuchen geworden. Der schmeckt auch immer nur dann so gut, wenn nicht genug da ist. Das heißt, die Verknappung des Pflaumenkuchens bewirkt, dass alle scharf auf ihn sind.

Wie sieht der Alltag heute als Berufsmusiker aus?

Ich habe viele Promotion-Termine, Konzerte und Galas. Ich versuche mir Zeiten aus diesem Plan heraus zu stanzen, in denen ich mich zu Hause hinsetzen und spielen kann. Ich habe natürlich auch mein Privatleben. Aber um meinen Beruf zu machen, muss man schon immer dabei sein. Ich habe nie wirklich frei. Wenn ich Zeit habe, dann gehe ich ans Klavier. Es gab eine Zeit zwischen 20 und 30, da habe ich wahnsinnig viel geübt – von morgens bis abends. Ich wollte es unbedingt schaffen.  Heute gehe ich morgens aus dem Haus ins Studio üben. Als ich die Filmmusik mit Otto Waalkes gemacht habe, da war ich fast nur zu Hause und habe am Computer komponiert. Zu der Zeit hatten meine Kinder echt viel von ihrem Vater, mehr als normalerweise. Meine Kinder wussten auch gar nicht, dass Otto so berühmt ist, bis sie ihn im Fernsehen gesehen haben.

Wollten Sie von Anfang an so berühmt werden?

Nein, gar nicht. Ich bin einfach meinem inneren Ruf gefolgt: Ich wollte Klavier spielen. Ich wusste nicht, wo mich das Leben hintreibt. Um so erfolgreich zu sein, müssen viele Situationen einfach passen. Zum Beispiel diese, als Joe Cocker jemanden für sein Vorprogramm suchte und in die Kneipe kam, in der ich gerade Klavier spielte. In dieser Bar habe ich aber vorher schon jeden Abend gespielt, war dort der Haus- und Hofpianist. Wenn Joe Cocker also in diese Kneipe geht, musste der mich sowieso irgendwann hören, weil ich ja immer da war. Der Zufall war dann nur, dass sein Vorprogramm ausgefallen war und er mich gefragt hat, ob ich das übernehmen könnte.

Und das haben Sie...

Ja, klar. Zu der Zeit war ich aber noch Schüler und habe dann vor tausenden von Leuten gespielt. Ich war todesaufgeregt. Die Erkenntnis für mich war: Ich kann alleine am Klavier tausende Leute unterhalten, die mich gar nicht kennen. Und die sind abgegangen und haben mich abgefeiert. Das war mir vorher nicht bewusst, dass das geht.

Interview: Juliane Fuchs

 

Wer ist Joja Wendt?

Ein Porträt von Joja Wendt.

Im Jahr 1964 in Hamburg geboren ist Joja Wendt heute der bekannteste Konzertpianist Deutschlands. Mit vier Jahren sitzt er das erste mal am Klavier, der Grundstein seiner Karriere. Er macht Abitur, studiert Klavier in Hilversum sowie New York und spielt regelmäßig in der Hamburger Musikkneipe „Sperl“, wo ihn schließlich Joe Cocker entdeckt und engagiert. Joja Wendt wird bekannter, steht mit Musikgrößen wie Chuck Berry und Jerry Lee Lewis auf der Bühne. Seine Konzerte führen den Hamburger Jung’ rund um den Globus, unter anderem nach Los Angeles und Kapstadt. Es folgen zahlreiche Fernsehauftritte und im Jahr 2000 sogar eine eigene Sendung, die „Joja Wendt Show“. Er komponiert die Filmmusik zu Otto Waalkes „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“ und nimmt mehrere CDs auf. Aber seine Leidenschaft sind Live-Auftritte und Konzerte.

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