03.05.2022

Comeback einer Vergessenen

Porträt von Emilie Mayer.
Emilie Mayer (Lithographie Eduard Meyer nach einer Zeichnung von Pauline Suhrlandt)
Das Cover der CD.
Die CD ist im Musikverlag Dabringhaus und Grimm erschienen.

Wissen Sie, wer Emilie Mayer ist? Die Komponistin aus Mecklenburg lebt zu Zeiten von Schumann und Chopin, Liszt und Wagner, gilt als „weiblicher Beethoven“, ist in ganz Europa berühmt. Nach ihrem Tod aber schnell vergessen. Wie ihre Musik klingt? Das kann man sich mit der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin anhören: Sie hat vier Ouvertüren als CD aufgenommen. 

„Wenn du die Meu gifst, kann ut die wat warden.“ Die Zeit schreibt das Jahr 1817. Emilie ist fünf, bekommt seit kurzem Klavierunterricht – und ermutigende Worte von ihrem Lehrer. Es ist eine Zeit, in der es zum guten Ton für Töchter aus gutem Haus gehört, Klavier zu spielen. Eine Zierde, für Zuhause. Für Emilie ist Musik schon da jedoch viel mehr als das. „Nach kurzem Unterrichte componirte ich Variationen, Tänze, kleine Rondos etc.“, sagte sie viele Jahre später einmal.

Berühmt zu werden – danach sieht ihr Leben zunächst ganz und gar nicht aus. Am 14. Mai 1812 wird sie in Friedland geboren. Als viertes von fünf Kindern. Ihr Vater ist Apotheker, die Familie gut situiert. Emilie ist keine drei Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Die Zeit vergeht, die Geschwister heiraten. Sie nicht. Als die anderen aus dem Haus in ihr eigenes Leben gehen, kümmert sie sich als älteste Tochter um Vater und Haushalt. 

Eine Vorliebe für Sinfonien

Ein Schicksalsschlag gibt ihrem Leben und der Musik darin eine Wende: 1840 nimmt sich der Vater das Leben. Sein Erbe ist reich – und gibt ihr nun die Freiheit, sich ganz ihrer Musik zu hinzugeben. Sie geht nach Stettin, wird Schülerin von Carl Loewe. Der Komponist erkennt ihre Begabung, schickt sie nach Berlin, zu Adolf Bernhard Marx und Wilhelm Wieprecht, zwei großen musikalischen Persönlichkeiten. 

Sich mit Kompositionen für Salonmusik zufriedenzugeben, das liegt ihr nicht. Mit Vorliebe wagt sie sich an große Formen, allem voran: Sinfonien und Ouvertüren. Ihr Gesamtwerk: Eine Komposition aus mehreren hundert Werken. Ebenfalls mit dabei: Eine Oper, ein Klavierkonzert, Streichquartette, Sonaten, Klavierwerke und Lieder. 

Auch der König war ein Fan

Ihre Musik begeistert die Menschen, wird in Berlin sogar am Königlichen Schauspielhaus aufgeführt. Das geht nur mit Erlaubnis des Königs. Die Vossische Zeitung schreibt dazu 1850: „Eine Dame, Dem. Emilie Mayer, wird im Concertsaal des Königlichen Schauspielhauses eine Anzahl ihrer Compositionen zur Aufführung bringen lassen; … ein solches Concertprogramm, ganz von weiblicher Hand ins Leben gerufen, ist, nach unserer Erfahrung und Kenntnis wenigstens, bis jetzt ein unicum in der musikalischen Weltgeschichte.“ Von Friedland über Stettin nach Berlin. Und weiter nach Dessau. Halle. Leipzig. München. Brüssel. Wien. Lyon, Budapest. Der Erfolg führt sie weit, bringt ihr viele Ehrungen, macht sie zur Mitvorsteherin der Opernakademie Berlin. 

Als Emilie Mayer 1883 stirbt, gerät sie in Vergessenheit. Kinder, die ihr musikalisches Erbe am Leben halten könnten, hat sie nicht. Schüler auch nicht. Hinzu kommt: Nur wenige Kompositionen wurden in Druck gegeben. 

Vier Ouvertüren, eine CD 

Seit 10, 20 Jahren werden Emilie Mayer und ihre Musik zunehmend wiederentdeckt. Für Konzerte. Aber auch aus wissenschaftlicher Sicht. Es gibt Bücher und einen Dokumentarfilm. Auch die Mecklenburgische Staatskapelle hat sich ihrer angenommen und für eine CD die einzigen vier Ouvertüren, die noch vorhanden sind, ausgesucht. Darunter auch eines ihrer letzten Werke: die Faust-Ouvertüre. Abgesehen von diesem Orchesterwerk habe es von keiner dieser Ouvertüren bislang Aufnahmen gegeben, so das Theater.

„Wir fühlen uns als Mecklenburgische Staatskapelle dem Erbe mecklenburgischer Komponistinnen und Komponisten verpflichtet“, sagt Generalmusikdirektor Mark Rohde. „Im 19. Jahrhundert als alleinstehende Frau mit Kompositionen den Lebensunterhalt zu bestreiten, war sehr ungewöhnlich. Einerseits wurde sie vom männlichen Teil der Gesellschaft als künstlerischer Geist zweiter Klasse betitelt, anderseits wurde sie auch als ‚der weibliche Beethoven‘ bezeichnet. Die Auseinandersetzung mit ihren Werken ohne eine existierende Aufführungstradition war eine spannende und gerade in der Corona-Zeit sehr willkommene Aufgabe.“