Die Konzertkirche, na klar. Die Kunstsammlung - sowieso. Neubrandenburg hat aber noch viel mehr zu bieten. Die Kulturszene zeichnet sich durch Vielfalt aus. Diese Vielfalt möchten wir vorstellen: in unserer Serie über die Vier-Tore-Stadt. Heute, Teil 5:
Perlen fischen im Büchermeer
Die Mecklenburgische Literaturgesellschaft aus Neubrandenburg fördert die Lust am Lesen und an literarischen Entdeckungen – zum Beispiel mit den Uwe-Johnson-Tagen.
Sich zurückzulehnen und einmal ganz anders unterwegs zu sein – für Dr. Gundula Engelhard ist das der Reiz am Lesen. Diese Begeisterung für Bücher und Sprache wollen die Geschäftsführerin der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft und ihre Mitstreiter gern mit anderen Menschen teilen. Wollen Freude am Lesen wecken. Angebote für die Auseinandersetzung mit Literatur machen.
Erste literarische Gesellschaft in den neuen Bundesländern
Als im Dezember 1989 die Gründungsberatung stattfand und im Juli des darauffolgenden Jahres die Eintragung des Vereins erfolgte, war dieser vermutlich die erste literarische Gesellschaft Ostdeutschlands. Im bücherbegeisterten Neubrandenburg, in dem auch die Fritz-Reuter-Gesellschaft zu Hause ist, hatten die „Neuen“ schnell einen festen Platz. Schon im Dezember 1990 fand das erste Kolloquium zu Uwe Johnson statt. Der Schriftsteller, der 1952 in Güstrow Abitur gemacht und in Rostock studierte hatte, war schon früh mit dem sozialistischen System aneinandergeraten. 1959 verließ er die DDR in Richtung Westen, wo in den Folgejahren seine Bücher erschienen. In der DDR bekam man Johnson nicht zu lesen – entsprechend groß war die Neugier. „Wir hatten von ihm gehört, aber er war für uns nicht greifbar“, erinnert sich Gundula Engelhard – genau wie an ihre erste Begegnung mit dem Werk des 1984 verstorbenen Autors: „Sein Stil und seine genaue Beobachtungsgabe haben mich gleich angesprochen.“
Uwe-Johnson-Symposium gestartet
Im Jahr 1994 fand bereits ein internationales Uwe-Johnson-Symposium statt und seitdem hat die Mecklenburgische Literaturgesellschaft mit den Uwe-Johnson-Tagen ein literarisches Juwel im Land etabliert. Zwei rote Fäden laufen durch diese im Herbst stattfindenden Literaturtage. Zum einen ist es die Aufmerksamkeit für Johnsons Werk, das viele Mecklenburger – auch weil es ihnen in den DDR-Jahren vorenthalten wurde – nicht kennen. Mit Lesungen, Vorträgen und Podiumsdiskussionen erfolgt die Annäherung. Zum anderen sind es Begegnungen mit aktuellen Autoren und die Beschäftigung mit deren Arbeit. Beide Fäden verknüpfen sich zum Uwe-Johnson-Preis, den die Literaturgesellschaft zusammen mit weiteren Stiftern alle zwei Jahre vergibt und der mit 20.000 Euro dotiert ist. Alternierend wird in „ungeraden“ Jahren der Uwe-Johnson-Förderpreis für das beste Prosa-Debüt ausgelobt.
Förderung der Medienkompetenz
Die Beschäftigung der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft mit Lesestoff setzt allerdings lange vor diesen Höhepunkten ein. Eine wichtige Säule der Vereinsarbeit ist die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Und Medien heißen in diesem Falle hauptsächlich Bücher. „Das alte Medium Text ist für uns das A und O“, sagt Gundula Engelhard. Sie will nicht einstimmen in die Klage, dass junge Menschen zu wenig lesen: „Sie lesen anders.“ Perlen im Büchermeer zu fischen ist der Literaturgesellschaft auch im Kinder- und Jugendsektor ein wichtiges Anliegen.
„Lauer Lufti" rüffelt
Dies führte zur Geburt des „Luftis“, eines mit Hilfe von Luftballons fliegenden Pferdes, das analog zum Dichterross Pegasus in den Kategorien Gold, Silber und Bronze Qualitätsstempel auf Bücher für junge Menschen setzt – oder das als „Lauer Lufti“ Leselangeweile rüffelt. Zwischen 2003 und 2008 arbeiteten Juroren der Literaturgesellschaft sogar in der Jugendjury des Deutschen Jugendliteraturpreises mit – und lassen den Lufti seitdem einfach weiter fliegen. Lesenächte, die thematisch von Märchenstunden bis zu Harry Potter reichen, gehören ebenfalls zum Angebot – wie überhaupt immer wieder neue Wege in die Welt der Bücher. Denn wichtig ist den mehr als 40 Vereinsmitgliedern vor allem eins: den Schatz Literatur unter die Leute zu bringen. Text: Katja Haescher