Susanne Gilbert und Uwe Driest stehen Rücken an Rücken in einem Raum.
Susanne Gilbert und Uwe Driest sammelten Dorfgeschichten von Rügen in einem Buch.
10.02.2017

Verliebt in eine Insel

Eine aufgeschlagene Buchseite über Altefähr.
Blick ins Buch "Dorfgeschichten von Rügen"

Am Anfang war es eine Serie in der Ostsee-Zeitung. Inzwischen ist es ein ganzes Buch. Die Sammlung „Dorfgeschichten von Rügen“ liegt ab März 2017 in den Bücherregalen. Kultur-MV sprach schon jetzt mit den Autoren Susanna Gilbert und Uwe Driest über Insellicht, gute und stille Geschichten, Kindheit an der Ostsee und trübe Wintertage.

Sie sind beide keine Insulaner. Was hat Sie auf die Insel Rügen verschlagen? Erzählen Sie doch mal mit wenigen Worten Ihre Inselgeschichte.Uwe Driest: Ich habe – mit Ausnahme von Bremen – schon in allen norddeutschen Bundesländern gelebt und mir nach der Wende den schönsten Teil der Ostseeküste erschlossen. Als meine persönlichen Umstände es dann erlaubten, zog ich von der schönsten Stadt auf die schönste Insel. Susanna Gilbert: In einem trüben Winter hatte ich es einfach satt, aus meinem Fenster auf Hausfassaden zu starren. Die vielen Menschen, der Lärm - ich wollte einfach weg. Die Insel war mir von etlichen Urlauben vertraut, und auch deswegen, weil ich seit meiner frühesten Kindheit die Sommer an der Ostsee verbracht habe. So sind Sie auf die Insel und dann auf die Idee gekommen, die Geschichten von anderen Insulanern zu sammeln und in einem Buch zusammenzufassen. Warum Letzteres?Susanna Gilbert: Die Idee ist mehrere Jahre alt und stammt von den Rügener Redakteuren der Ostsee-Zeitung. Jeden Freitag erscheint eine Seite mit Geschichten aus einem Dorf der Insel. Die Serie kommt sehr gut an - sowohl bei den Rüganern als auch bei Gästen. Da lag der Gedanke nahe, einige ausgewählte Dorfgeschichten in einem Buch zu veröffentlichen. Uwe Driest: Ich höre gern zu, wenn Menschen ihre Geschichten erzählen und ordne diese dann - vielleicht weil ich Volkswirtschaft und Politik studierte – in einen größeren Kontext ein; als Brennglas zur Zeitgeschichte gewissermaßen. Ich finde, dadurch entstehen zugleich Puzzle-Teile einer gesellschaftlichen Chronik. Wie finden Sie immer wieder Menschen mit erzählenswerten Geschichten?Susanna Gilbert: Das ist sehr unterschiedlich. Viele Interviewpartner habe ich auf Empfehlung "alter" Rüganer gewinnen können, andere habe ich mir vor Ort gesucht, und einige habe ich einfach auf gut Glück kontaktiert. Uwe Driest: Mein Eindruck ist, dass sich die meisten Menschen auf der Insel sehr mit ihr identifizieren und sich ihrer natürlichen und historischen Besonderheiten bewusst sind und das gern teilen. Manchmal bedarf es aber auch eines „Türöffners“, also der Empfehlung eines Bekannten, um auf eine Tasse Kaffee ins Haus gebeten zu werden. Welche Geschichte hat Sie persönlich am meisten berührt bzw. fasziniert?Uwe Driest: Wir stoßen ja eher selten auf spektakuläre Biographien wie jene, wo ein bekannter Musiker die Tür öffnet, von dem niemand wusste, dass er auf der Insel lebt oder den Radsportler, der einst im Olympia-Aufgebot war. Es sind eher die leisen Töne aus Familiengeschichten und Mitteilungen aus Nebensätzen, die das Tor zu einer Geschichte aufstoßen. Jüngst erzählte mir jemand, dass er in demselben Zimmer geboren wurde, indem kürzlich sein Vater starb. Susanna Gilbert: Das ist schwer zu sagen. Besonders rühren mich die Geschichten von Menschen an, die es nicht immer leicht hatten und doch das Beste aus ihrem Leben gemacht haben. Und die sich Humor, Gelassenheit und Zufriedenheit bis ins Alter bewahrt haben. Diese Menschen leben in ihrer kleinen Welt und strahlen doch eine große Würde aus. Wird es weitere Inselgeschichten geben oder anders gefragt: Planen Sie schon einen zweiten Dorfgeschichten-Band?Uwe Driest: Natürlich, es gibt auf Rügen mehr als 350 kleine und kleinste Ortsteile. Das ist für einen Journalisten Herausforderung und Auftrag zugleich. Susanna Gilbert: Geschichten haben wir noch genug. Schließlich gibt es auf Rügen hunderte Dörfer - vom stattlichen Marktflecken bis zum versteckten Weiler mit ganz wenigen Bewohnern. Es bleibt wohl auch abzuwarten, ob den Lesern unser Buch gefällt... Was schätzen Sie persönlich am Inselleben am meisten?Uwe Driest: Die Wahrhaftigkeit der Natur. Sie können sich in einer Großstadt unter Umständen sehr einsam fühlen. Auf Rügen schärfen Sie unweigerlich Ihre Sinne für das Licht zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. Und die Geschichte. Bei einem Spaziergang in Lietzow sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge Menschen aus der Jungsteinzeit Feuersteine bearbeiten oder in Einbäumen fischen. Unterwegs an der Küste des Rügenschen Boddens glauben Sie, schwedische Segelschiffe hinter der Insel Vilm herannahen zu sehen. Und dann sind da noch diese Stille und Dunkelheit im Winter, wenn man das sucht. Susanna Gilbert: Die drei L: Landschaft, Leute, Licht. Ich mag den Wechsel zwischen dem Trubel im Sommer und der Ruhe im Winter, wenn die Insel in einem Tiefschlaf zu liegen scheint. Ich kann mich nicht satt sehen an der Landschaft, besonders bei Sonnenuntergang und am überwältigenden Sternenhimmel in der Nacht. Ich bin immer wieder von der gleißenden Helligkeit fasziniert, die es so nur hier an der Ostsee gibt. Und ich schätze den pommerschen Charme der Menschen, ihre anfängliche Zurückhaltung, ihre direkte, ehrliche Art. Und abschließend: Mit welchen drei Worten würden Sie Ihre Rügen beschreiben?Uwe Driest: Natur, Vielfalt und Geschichte. Susanna Gilbert: Weite, Stille, Ursprünglichkeit. (Interview: Juliane Fuchs)

Susanne Gilbert und Uwe Driest stehen Rücken an Rücken in einem Raum.
Susanne Gilbert und Uwe Driest sammelten Dorfgeschichten von Rügen in einem Buch.

Susanna Gilbert...

...wurde 1953 in Gießen geboren und war viele Jahre als Redakteurin für die Deutsche Presse-Agentur tätig, ehe sie freie Journalistin und Literaturkritikerin wurde. Mittlerweile lebt sie auf der Insel Rügen und ist als freie Mitarbeiterin für die Ostsee-Zeitung tätig. 

Das Buch "Dorfgeschichten von Rügen" erscheint im März 2017.
Das Buch "Dorfgeschichten von Rügen" erscheint im März 2017.

Das Buch

Rügen, das bedeutet wunderbare Landschaften, Ostsee, Kreidefelsen und Seebäder. Aber auch abseits der Touristenmagneten finden sich faszinierende Orte. Dörfer voller spannender Geschichten von der Suche nach Glück. Einer Suche, die auf Rügen etwas leichter zu sein scheint – sind sich doch viele Rüganer bewusst, dass es bereits ein Glück ist, hier wohnen zu dürfen. 

Susanne Gilbert und Uwe Driest stehen Rücken an Rücken in einem Raum.
Susanne Gilbert und Uwe Driest sammelten Dorfgeschichten von Rügen in einem Buch.

Uwe Driest...

...wurde 1956 in Peine geboren, war nach seinem Studium der Volkswirtschaft Redakteur, Redaktionsleiter und Geschäftsführer der Hamburger Rundschau. Heute lebt er als freier Journalist in Putbus auf Rügen.