Die Konzertkirche, na klar. Die Kunstsammlung - sowieso. Neubrandenburg hat aber noch viel mehr zu bieten. Die Kulturszene zeichnet sich durch Vielfalt aus. Diese Vielfalt möchten wir vorstellen: in unserer Serie über die Vier-Tore-Stadt. Heute, Teil 9:
Zum Geburtstag gibt's Post vom schwarzen Schaf
Neubrandenburg. Gartenstraße 6. Hier lebte einmal eine Schriftstellerin, „die zu früh und zu viel Erfolg hatte, manchmal hungerte und manchmal wahnsinnig viel Geld verdiente, einen Haufen Orden bekam und so ziemlich alle Literaturpreise, die hierzulande verliehen werden, an eine Große Sache glaubte und an einer Großen Sache zweifelte...“.*
Als Brigitte Reimann 1968 von Hoyerswerda ins Erdgeschoss der kleinen Villa mit Erker, Terrasse und Garten zieht, ist sie 35. Und schwer krank. Krebs. „Die Frau am Pranger“, „Ankunft im Alltag“ und „Die Geschwister“ sind schon lange veröffentlicht. Jetzt soll „Franziska Linkerhand“ fertig werden. 1963 hat sie mit dem Roman begonnen. In Neubrandenburg hofft sie, ihn zu vollenden. Das Schicksal hat andere Pläne. Im Februar 1973 siegt der Krebs. Da ist sie 39 Jahre alt. Nach der Wende soll ihr zu Ehren aus der Villa eine Gedenkstätte werden. Das Haus stürzt bei der Sanierung jedoch ein, muss abgerissen werden. An seiner Stelle wird neu gebaut und am 26. Todestag das Brigitte-Reimann-Literaturhaus eröffnet. Seitdem füllt das Literaturzentrum Neubrandenburg es mit Leben. Mit einer ständigen Ausstellung über die Schriftstellerin. Mit einem Archiv, in dem Wissenschaftler aus aller Welt forschen können und zu dem neben Briefen und Tagebüchern auch eine Handschrift zum Sibirientagebuch „Das grüne Licht der Steppen“, das Typoskript von „Franziska Linkerhand“ und ihre Originalbibliothek mit fast 900 Bänden gehören. Auch wenn es ihren Namen trägt, ist das Haus viel mehr als „Brigitte Reimann“. Hier befindet sich auch die umfänglichste Sammlung zur Literatur des Landes nach 1945. Mit Namen wie Franz Freitag, Lisa und Herbert Jobst, Margarete Neumann, Martin Pohl. Zum Beispiel. Und es ist ein Ort der Begegnung für Literaten und Freizeitautoren. Dreh- und Angelpunkt bleibt aber Brigitte Reimann. Erst recht in diesem Jahr. Da wäre sie am 21. Juli 85 geworden und jährte sich ihr Todestag im Februar zum 45. Mal.
* Das Zitat stammt aus einem Brief, den Brigitte Reimann kurz vor ihrem Todan ihre Schulfreundin Veralore Schwirtz schrieb. Er ist Teil des Buches „Aber wir schaffen es, verlaß dich drauf! Briefe an eine Freundin im Westen“ (1995).
Veranstaltungen
19. Juni 2018, 16 Uhr:
„Maja, die Waldfee“, Kinderfest, Eintritt frei
29. Juni 2018, 20 Uhr:
„Frau Reimann inszeniert die Liebe“, Lesung und Jazz
21. Juli 2018, 20 Uhr:
„Post vom schwarzen Schaf“, Lesung aus Brigitte Reimanns Briefwechsel mit ihren Geschwistern 1960-1972, Ort: Latücht, Große Krauthöferstr. 16
1. September 2018, 19 Uhr:
„Dann mach ich hier eben nicht mehr mit. Simone Frost: Schauspielerin mit Charakter“, musikalische Lesung. Simone Frost hatte im Film „Unser kurzes Leben“ (1981) Franziska Linkerhand gespielt.
11. Oktober 2018, 18 Uhr:
„Erster Verlust“, Filmaufführung. Der Film entstand 1990 frei nach Motiven der Erzählung „Die Frau am Pranger“. Er ist einer der letzten DEFA-Filme und wurde auf mehreren internationalen Filmfestivals ausgezeichnet. Ort: Begegnungsstätte Ravensburgstraße 21a,
25. November 2018, 16 Uhr: „Franziska Linkerhand“, literarisch-musikalischer Nachmittag, Ort: Schauspielhaus Pfaffenstr. 22
Hinweis: Anmeldung zu allen Veranstaltungen unter 0395/5719180 oder info@literaturzentrum-nb.de