Heimkehr ins Paradies
Hinnerk Schönemann ist ein Rückkehrer. Dass der Schauspieler in Mecklenburg lebt, ist kein Zufall. Hier verbrachte er seine Kindheit, hierher zog es ihn immer wieder zurück. Von seinem beim Film verdienten Geld kaufte er sich ein Gehöft in einem Dorf in der Nähe von Plau am See. Sein Kindheitsdorf.
Zur Welt gekommen ist er allerdings 1974 in Rostock. Seine vier ersten Lebensjahre verbringt er in der Platte. Dann trennen sich seine Eltern, die Mutter zieht mit ihm nach Berlin. Die Erinnerung an Rostock verblasst.
In Berlin wächst Hinnerk Schönemann auf. Er segelt - beim SC Grünau, dem Kader des späteren Admiral's Cup-Gewinners Jochen Schümann. Er angelt, ist fasziniert von Fischen und Reptilien. Dann der nächste Bruch: Tante und Onkel des Jungen, die Filmemacher Sybille und Hannes Schönemann, verlassen die DDR. Nach Ausreiseantrag und Stasi-Haft. Hinnerks Mutter nebst neuem Ehemann, Sohn Hinnerk und die zwei jüngeren Schwestern reisen mit. Die Familie siedelt nach Hamburg über. 1988 war das.
In Hamburg kommt Hinnerk Schönemann 1990 das erste Mal mit dem Film in Kontakt. In einem „Tatort” spielt er einen ominösen Skateboarder, der immer an kritischen Handlungsstellen vorbeirollt und so den Verdacht auf sich zieht, der gesuchte Übeltäter zu sein. Aber Hinnerk will gar nicht Schauspieler werden. Hinnerk will Tierzüchter werden. Fische und Reptilien. Er schafft sich allerlei Fauna an. Dafür fährt er sogar zu seinen Verwandten in die DDR, nach Ribnitz-Damgarten. Als 13-Jähriger reist er allein in den Osten. Eine bewegende Erfahrung. Die Kontrollen an der Grenze machen ihm Angst. Die Besuche im Osten genießt er aber. „Ich hatte plötzlich Geld!” Nicht nur West-, sondern auch jede Menge Ostgeld, dank des Zwangsumtauschsatzes von 25 Mark pro Tag. Hinnerk kauft Zierfische.
Nebenbei tritt er auf kleinen Bühne auf
Dann kommt die Wende. An den Abend des 9. November erinnert er sich noch genau. Die Familie traf sich im Wohnzimmer. „Wir haben alle geweint”, erzählt er. „Wir wussten, dass wir jetzt wieder zurück können.” Kurz darauf organisieren die Eltern den Umzug nach Berlin.
Hinnerk will noch immer Reptilien züchten, hauptberuflich. Nebenbei tritt er auf einer kleinen Theaterbühne auf. Dann bewirbt sich ein Freund an einer Schauspielschule. „Ich hatte bis dahin nicht gewusst, dass man Schauspiel überhaupt studieren kann.” Er bewirbt sich an der Schauspielschule „Ernst Busch” in Berlin und wird angenommen. Und nach einem Jahr wieder vor die Tür gesetzt. Seine Stimme passt nicht ins Konzept. Er bewirbt sich an der Universität der Künste (UdK), auch in Berlin. Und wird wieder angenommen. 2000 schließt er sein Studium ab. Seine Karriere beginnt.
Hinnerk Schönemann ist nicht der Typ, der nach Hollywood schielt. Dafür hat er hierzulande einfach zu viele gute Angebote. Und Kollegen, mit denen er gern zusammen arbeitet. Er erinnert sich an Dreharbeiten zu einer großen Kinofilm-Produktion im Jahr 2004. Etliche große Schauspieler waren da. Sebastian Koch, Martina Gedeck, Ulrich Tukur. Das Thema: Der Staatssicherheitsdienst der DDR. Der Regisseur: Florian Henckel von Donnersmarck. „Ich war ziemlich aufgeregt vor den Dreharbeiten. Ich dachte, die sind alle schon so lange zusammen, jetzt komme ich als Fremder mit dazu.” Aber die Aufnahme war herzlich. Einer ragte besonders heraus aus dem Team: Ulrich Mühe. „Ein dezenter Typ”, erinnert er sich. „Sehr besonnen.”
Hinnerk Schönemann spielt einen Stasi-Mitarbeiter, der gezwungen wird, öffentlich einen Witz über Staatschef Honecker zu wiederholen und dafür strafversetzt wird. Dieser Film, „Das Leben der anderen”, war nicht nur in Deutschland ein Kassenschlager. Er bescherte dem Team einen Oscar.
„So wollte ich immer leben”
Es folgen viele deutsche Spielfilme, in denen er mitspielt: das Melodram „Yella" des Regisseurs Christian Petzold (2007), die Störtebeker-Verarbeitung „12 Meter ohne Kopf” (2012), Dany Levys Nazi-Klamotte „Mein Führer” (2006). In etlichen Folgen um die Ermittlerin Marie Brand (Mariele Millowitsch) spielte er ebenso wie in weiteren Tatorten, im Polizeiruf 110 oder auch im Kinderfilm „Nils Holgerssons wunderbare Reise”. Ein prägendes Erlebnis ist die Arbeit mit Regisseur Steven Spielberg. „War Horse” ( „Gefährten") heißt der 2012 veröffentlichte Film, in dem er einen deutschen Soldaten spielt.
Hinnerk Schönemanns Lebensmittelpunkt ist Mecklenburg. In dem Dorf bei Plau leben auch seine Mutter, Onkel und Tante. Einen alten Stall hat er sich zum Wohnhaus umgebaut. Wenn er nicht dreht, fährt er mit dem Traktor über die Felder, bewirtschaftet seinen Acker, seinen Wald. „Das ist das Paradies”, sagt er. „So wollte ich immer leben.”
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