Vom Leben eines kritischen Künstlers
Der tägliche Kampf um Sichtbarkeit. Wieland Schmiedel überlässt ihn anderen. Herumkrakeelen, um auf sich aufmerksam zu machen. Kunst schaffen, nur um zu gefallen oder als reine Unterhaltung. Das ist und war nie sein Ding.
Wieland Schmiedel, der Bildhauer, verbindet auch immer eine Botschaft mit seinen Werken. Unrecht, Leid und Krieg. Seine aus Stein gehauenen Figuren zeigen Opfer und Täter. Kokonhaft verhüllt stehen sie in der Landschaft. Eine Landschaft, in die hinein sich Wieland Schmiedel schon in jüngeren Jahren wünschte. „Märchenhaft klang das, was meine Großeltern über ihre Heimat Mecklenburg-Vorpommern erzählten“, erinnert sich der 1942 in Chemnitz geborene. Während der Oberschulzeit nimmt er in den Sommer- und Herbstferien an den Pflicht-Ernteeinsätzen, Rüben verziehen und Kartoffeln ernten, im Norden, dem Pasewalker Raum, teil - und fühlt sich wohl. Dann beginnt er eine Ausbildung zum Steinbildhauer in Dresden. Jahre später wird er Meisterschüler der Akademie der Künste der DDR. Als Wieland Schmiedel 1965/66 am Güstrower Schloss Restaurierungsarbeiten übernehmen soll, zögert er nicht. Zwar zerschlägt sich das Angebot kurz darauf, doch einmal Anlauf genommen, siedelt er um. In Crivitz bei Schwerin wird eine Grabsteinbude frei. Der Handwerksbetrieb mit einem Gesellen sichert ihm die Existenz. Erfüllung findet er jedoch im künstlerischen Schaffen. Steine sind ihm dabei am liebsten. Deren Widerstand fordert ihn heraus. Die Werkstatt am Friedhof Crivitz ist ihm auch zugleich Atelier. Inzwischen lässt es der Wahlmecklenburger, der am 5. Mai seinen 75. Geburtstag feiert, etwas ruhiger angehen. Weniger Steine, mehr Beton, Bronze, Ton und Terrakotta gehen durch seine Hände.
„Ich war kein Opportunist“
Vor acht Jahren bekam Wieland Schmiedel den Landeskulturpreis. „Wofür denn?“ soll er überrascht gefragt haben, als ihn der Kultusminister anrief. Seine Frau Heide Kathrein, die ebenfalls Künstlerin ist und mit ihm in der von Wiesen und Weiden umgebenen, zum Wohn- und Atelierhaus umgebauten Feldscheune lebt, kann sich noch gut an diesen Satz erinnern. Zur Feier des Tages hat sich Wieland Schmiedel einen guten Whisky gekauft. Während er am Abend davon trinkt, hat er noch mal zurückgeblickt. Auf aufrüttelnde Werke wie das in Magdeburg, wo er auf dem Westfriedhof eine Gedenkstätte für die Opfer der Bombardements gestaltete. Auf dem Neuruppiner Friedhof hinterließ er seine Handschrift an mehreren von unterschiedlichen Schicksalen geprägten Kriegsgräberstätten. Bereits 1981 wurde in Schwerin das Denkmal Grünes Tal übergeben. Es erinnert an das NS-Kriegsgefangenenlager Stalag II E mit dem Massengrab der über 500 dort umgekommenen Gefangenen. In dem Jüngling, der aus der steinernen Torsiwand heraustritt, sieht der Künstler ein Zeichen der Hoffnung. Als er nach einem Aufmarsch sieht, dass danach völlig unpassend Fahnenstangen an seinem Werk stehen geblieben sind, fährt er abends mit seinen Söhnen hin und montiert sie ab. Er lässt sich von der DDR nicht verbiegen. „Ich war kein Opportunist“, erinnert sich der Bildhauer, „deshalb hat es auch kaum Aufträge gehagelt.“
Kritik an ungerechten Verhältnissen
Anerkennung fand Wieland Schmiedel dennoch. Werke von ihm finden sich heute in den Staatlichen Museen Berlin, in der Dresdner Skulpturensammlung, im Staatlichen Museum Schwerin, im Museum der bildenden Künste Leipzig (Leihgaben der Sammlung Ludwig, Oberhausen) und in der Galerie Junge Kunst Frankfurt Oder. Um Kriegsleid geht es wiederum, als er an den Strecken des Todesmarsches 1945 der Häftlinge der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück im Landkreis Parchim die 51 Stelen platzieren kann (1996), dann 2009 in der Kreisstadt selbst, wo diese Häftlingskolonnen durchzogen, am Stadthaus die „Kore mit drei Stelen “ und hinter dem Moltkedenkmal „Fünf Liegende“. Die Eindrücke des Krieges, in den Wieland Schmiedel hineingeboren ist, dessen gravierende Folgen materieller Not und geistiger Neuorientierung haben ihn nie losgelassen. Ein ideologisch verstörtes Elternhaus. Erst braun, dann suchten sie nach dem Krieg ihr Seelenheil in der Kirche. Sie reden nicht über das, was war. In der Schule „genießt“ ihr Junge derweil die sozialistische Erziehung. Verwirrt setzt er sich früh mit allem auseinander. Als besonders kritisch wird er von den Lehrern wahrgenommen. Das ist er bis heute geblieben. Wieland Schmiedel spricht aus, was für die Gesellschaft nicht gut sein kann: das soziale Auseinanderdriften der Menschen. Die bedrohlich rostige Schere zwischen arm und reich. Den Künstler ärgert, dass „da nichts wirklich passiert. Alle sich schleichend an die ungerechten Verhältnisse gewöhnen. Die Politiker weder Visionen haben noch Alternativen aufzeigen.“
„Erinnern – heute für morgen“ in der Burg Neustadt-Glewe
Der Mecklenburger grübelt darüber nach, wie er das, was ihm zurzeit auf der Seele brennt, öffentlich machen kann. Dazu bietet sich bis 28. Mai in der Burg Neustadt-Glewe eine Ausstellung seiner Arbeiten zum immer wieder und gerade besonders aktuellem Thema „Erinnern – heute für morgen“ an. Am 24. Juni schließt sich in der Galerie von Ulrich Rudolph und Anke Meixner in Testorf eine Ausstellung gemeinsam mit dem befreundeten Berliner Grafiker Manfred Butzmann an. Doch vorab steht der 75. Geburtstag Wieland Schmiedels an. Dazu werden an drei aufeinander folgenden Tagen Konzerte in der Frauenmarker Kirche stattfinden. In dieser Kirche im Landkreis Parchim, unweit der B321, hat er Ende der 1960er Jahre den Chorraum in schlichter, der romanischen Architektur dienenden Form umgestaltet. Mit Musik, Wein, einem guten Whisky – aber vor allem mit Menschen, die ihm geistig, menschlich und handwerklich nahe stehen, will er diesen Tag feiern.
Text: Anja Bölck