Schwerin hat mehr Raum für Kunst
„Endlich!“ Wenn Gerhard Graulich über neue Ausstellungen spricht, fallen ihm normalerweise viele Worte ein. Diesmal reicht jedoch, zumindest zunächst, ein kleines, um das große Ganze zusammenzufassen. „Endlich!“
Gerhard Graulich ist Kurator. Kurator der Moderne am Staatlichen Museum in Schwerin. Wenn er „seine“ Werke sehen wollte, musste er dafür meistens ins Depot gehen. Seit Juli haben die Neuen Meister einen neuen Platz. Mitten im Museum. Da, wo nicht nur Graulich sie sehen kann. Der Anbau hat die Ausstellungsfläche um rund 800 Quadratmeter vergrößert. Das macht fast fünf Volleyballfelder mehr für Kunst. Vor allem für Kunst aus dem eigenen Bestand. Marcel Duchamp. Lovis Corinth. Lyonel Feininger. Name June Paik. Bernhard Heisig. Sigmar Polke. Zum Beispiel. Und natürlich Günther Uecker. Wer den Weg in den neuen Teil des Museums sucht, muss zunächst an Krise und Umbruch, Farbe und Landschaft, ein bisschen Erotik und der Poesie des Alltags vorbei. Zwei schwere Türen noch, dazwischen eine Brücke aus Glas. Dann zeigt der Anbau seinen ganzen Raum. In der Mitte, auf dem Boden, dreht Ueckers Sandspirale lautlos ihre Runden. An der Wand hängen weiß-beige Tücher, so groß wie Leinwände. Ueckers Wustrower Tücher. Die Serie hat er extra für Schwerin gefertigt. Und erinnert an seine Erlebnisse in den Kriegs- und Nachkriegsjahren auf Wustrow. Als sowjetische Soldaten ihn zwangen, die Leichen, die der Untergang der Cap Arkona an den Strand gespült hatte, zu verscharren. Seit 2010 legt Uecker an diesen Stellen immer wieder Tücher auf, um Bilder zu schaffen. Eine Treppe tiefer haben jetzt Neue Medien Platz. Installationen. Videos. Objekte. Der Anbau, ein modernes Rechteck aus viel Glas und noch mehr Wand, versteckt sich mit seinen zwei Stockwerken bewusst zwischen dem alten Museumsgemäuer und Stadtvillen. Damit er den Welterbe-Antrag nicht in Gefahr bringt. Gut acht Millionen Euro hat der Anbau gekostet. „Die EU trug den Löwenanteil“, sagt Museumsdirekter Dirk Blübaum. Der betrug 90 Prozent. Die restliche Summe gibt das Land. Knapp zwei Jahre wurde gebaut. Und am Freitag, 1. Juli, wird gefeiert.
(Stand: Juli 2016)