Barock an der Ostsee
Streng genommen ist Schloss Bothmer überhaupt kein Schloss. Denn streng genommen ist dieser Begriff den Residenzen regierender Landesherren vorbehalten. Aber wenn Schloss Bothmer auch nie das Zuhause eines Herzogs oder Großherzogs war, so ist es doch das Haus eines Königsmachers: Bauherr Hans Caspar von Bothmer, Diplomat am hannoverschen Hofe, ebnete Kurfürst Georg Ludwig den Weg auf den englischen Thron.
Angesichts dieser Tatsache und angesichts der Pracht der barocken Anlage sollte es schon mal erlaubt sein, bei Bothmers Mecklenburger Anwesen von einem Schloss zu sprechen – was der Volksmund, der sich um solche Spitzfindigkeiten nicht schert, ohnehin tut. Ein Schloss also. In der Nähe der Stadt Klütz, unweit der Ostsee, entstand es zwischen 1726 und 1732. Baumeister war Johann Friedrich Künnecke, der mit dem Herrenhaus sein Hauptwerk schuf. Ähnlichkeiten der Architektur mit holländischen und englischen Prachtbauten sind nicht zufällig: Hans Caspar von Bothmer, aus niederem niedersächsischen Landadel stammend, vertrat den hannoverschen Hof als Gesandter an verschiedenen europäischen Höfen, unter anderem in Den Haag und London. Er wurde zum Reichsgrafen erhoben und häufte im diplomatischen Dienst und durch kluge Finanzgeschäfte ein märchenhaftes Vermögen an. Dieses Geld investierte er unter anderem in mecklenburgische Güter, zum Beispiel im Klützer Winkel. Würde man den Wert von Bothmers Landkäufen mit heutigen Maßstäben messen, entsprächen sie einem Wert von 80 Millionen Euro.
Ein Landsitz für die Familie
Als sich Bothmer am Rande von Klütz seinen Landsitz errichten ließ, war er bereits im 70. Lebensjahr. Seine Auslandserfahrungen und die Beschäftigung mit der Architektur der Zeit und früherer Jahrhunderte waren Gründe dafür, dass der Graf zu einem versierten Bauherrn wurde. Sicher war es von Bothmer bewusst, dass er selbst aufgrund seines fortgeschrittenen Alters das Schloss nicht mehr bewohnen würde. Trotzdem scheute er keine Mühe – sah er es doch als Investition in den Stammsitz seiner Familie. Ihr hinterließ er seinen Wappenspruch „Respice finem“ – bedenke das Ende – auf dem Giebel des Mittelrisalits.
Barocke Üppigkeit
Für Schloss Bothmer ist es am Ende gut ausgegangen. Da Hans Caspar von Bothmer ohne männlichen Erben starb, zog sein Neffe als erster Bewohner in das neu errichtete Schloss. Das Anwesen blieb bis 1945 in den Händen der Familie, wurde nach dem Krieg Krankenhaus und später Seniorenheim. Eine zwischenzeitliche Privatisierung schlug fehl, so dass das Land Mecklenburg-Vorpommern Schloss Bothmer übernahm und dem Anwesen mit einer umfangreichen Restaurierung den alten Glanz zurückgab. Aufwändige Stuckarbeiten an Decken und Kaminen, Intarsien, Reliefs und Paneele zeugen von barocker Üppigkeit bei der Ausstattung des Corps de logis, des Wohnhauses der Anlage.
Eine reizvolle Symmetrie
Von außen betrachtet ist es die Symmetrie, die den Reiz des aus roten Backsteinen errichteten Gebäudes ausmacht. Verbunden mit eingeschossigen Galerien flankieren zwei Kavaliershäuser das Hauptgebäude, an die sich von Torhäusern abgeschlossene Seitenflügel anschließen. So entsteht ein weit geöffnetes, kantiges U, dessen Spiegelachse die Verlängerung der in Deutschland einzigartigen Festonallee ist. Das aus dem Französischen stammende Wort bezeichnet eine Girlande, deren Glieder in diesem Falle die sich berührenden und ineinander verwachsenen Äste der holländischen Linden bilden. Im zum Museum umgebauten Hauptgebäude ist heute eine Ausstellung über Hans Caspar von Bothmer zu sehen. So ist der Erbauer des Schlosses, der nie in Klütz lebte, doch noch in sein Anwesen eingezogen. Von Bothmer starb 1732 in London. Sein dortiges Domizil, damals Bothmar House genannt, ist sogar noch bekannter als das eindrucksvolle Herrenhaus nahe der Ostsee. Die Adresse: Nummer 10, Downing Street.