„Markensiegel für Musikberufe”

Porträt von Martina Scharstein

Der Deutsche Tonkünstlerverband (DTKV) ist der größte Berufsverband für Musiker in Deutschland. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine Landesvertretung. Wir haben mit der MV-Vorsitzenden, Martina Scharstein, gesprochen.

Welche Aufgaben hat der Tonkünstlerverband?

Der Deutsche Tonkünstlerverband als ältester und größter Berufsverband für Musiker - Gründung: 1847 - ist mit rund 8.300 Mitgliedern in 16 Landesverbänden organisiert. Er ist die Standesvertretung für Musikberufe: Interpreten, Komponisten, Musikpädagogen etc.

Wer kann Mitglied werden?

Die Mitgliedschaft ist ein Markensiegel für Musikberufe. Die qualifizierte Ausbildung zum Musiker oder Musikpädagogen, z.B. durch Hochschulstudium, ist Voraussetzung für die ordentliche Mitgliedschaft. 

Wie viele Mitglieder gibt es in Mecklenburg-Vorpommern?

48.

Klingt nach einer besonderen Herausforderung.

Die geringe Mitgliederzahl ist sicher eine Herausforderung, obwohl wir in den letzten drei Jahren erfreuliche Zuwächse hatten. Dennoch ist der Bekanntheitsgrad des Verbandes in den neuen Bundesländern noch nicht so hoch, da die Tradition in den alten Ländern anders gewachsen ist. Dort gibt es schon länger den Beruf des freischaffenden Musikers und Musikpädagogen.

Wie ist denn die Situation für Musiker in MV?

Unsere Mitglieder absolvierten alle ein mehrjähriges Hochschulstudium, dennoch landen einige in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Ein Grund dafür ist die Einsparung von Festanstellungen an Musikschulen durch die Landkreise und Kommunen, von Kürzungen bei Orchestern und Chören ganz zu schweigen. Viele unserer Mitglieder unterrichten neben ihrer künstlerischen Tätigkeit an Musikschulen und haben als sogenannte Honorarkräfte wenig finanzielle Absicherung.

Sie arbeiten freiberuflich als Konzert- und Opernsängerin, hinzu kommt der Vorsitz beim DTKV. Wie sieht eine typische Woche bei Ihnen aus?

Morgens stehen administrative Dinge an. Oft beginnt ab 9:30 der Gesangsunterricht im privaten  Arbeitszimmer oder im Konservatorium Schwerin. Auch zum eigenen Üben und Beschäftigen mit Noten und Text ist fast nur morgens Zeit und Ruhe.

An den meisten Nachmittagen habe ich Unterricht mit Schülern von 9 bis 70 Jahren, auch Gruppenunterricht. An einem Abend gibt es noch Ensembleunterricht bis 21:30.

Wenn ich zu Proben und Konzerten unterwegs bin, erledige ich einige Post im Zug, interessanterweise kann ich mich dort bestens konzentrieren.

Der Unterricht der Gesangsschüler muss dann manchmal für eine halbe Woche verlegt werden, was immer auch eine organisatorische Herausforderung ist. De facto unterrichte ich in den meisten Ferien, da ich immer Unterricht nachzuholen habe.

Den Schwerpunkt meiner künstlerischen Tätigkeit habe ich seit 15 Jahren in einem Vokalensemble für Zeitgenössische Musik in Frankfurt am Main, von dort aus geht es oft zu internationalen Konzertreisen. Trotzdem lebe ich (noch) gerne in Schwerin, da die Stadt sehr familienfreundlich ist und man kurze Wege hat.

Was fordern Sie als DTKV-Landesvorsitzende?

Da der Bedarf an qualifiziertem Musikunterricht im Land zum Glück hoch ist, sollte das künstlerische Personal im Land durch Schaffung von Festanstellungen und/oder auch durch halbe Stellen gestärkt werden. Die Honorarsätze für die freien Mitarbeiter sollten deutlich erhöht werden, es besteht sonst die Gefahr weiterer Abwanderung in andere Bundesländer. Dann wird es bald keine Musikschulen, auch keine Ausbildung der Schulmusiker mehr geben.

Welches Thema möchten Sie für Ihren Verband voranbringen?

Die Öffentlichkeit soll darüber informiert sein, dass es einen Berufsverband für Musikberufe gibt, dessen Mitgliedschaft in einem Aufnahmeverfahren geprüft wird. Das bedeutet, dass unsere Mitglieder sowohl in der Erteilung von Musikunterricht als auch in ihrer eigenen künstlerischen Arbeit hochqualifiziert sind. Für Eltern, die für ihr Kind einen Instrumentallehrer suchen, kann das eine Entscheidungshilfe sein, aber auch für die Mitglieder selbst in der Argumentation für die Höhe ihrer eigenen Honorarsätze.

Mit dem Blick zurück. Was empfehlen Sie jungen Musikern?

Ein gutes Netzwerk ist sehr wichtig, das bietet z.B. der DTKV. Leider bleibt neben dem Musikstudium wenig Zeit, sich über die praktischen Dinge des Berufs zu informieren: Die Künstlersozialkasse KSK, welche Versicherungen benötige ich, wie plane ich die Freiberuflichkeit, so dass ich davon leben kann u.a. Bereits im Studium sollte das Standbein Musikpädagogik ausgebaut werden, denn die berufliche Realität erfordert heute meist Musikerpersönlichkeiten, die sowohl konzertierend oder gastierend unterwegs sind, als auch ein einigermaßen sicheres Einkommen durch Unterrichtstätigkeit erwirtschaften. Unerlässlich ist auch ein realistischer Blick auf den Beruf: Ein Musikstudium für das Lehramt ist sehr zu empfehlen, da man ein sicheres und hohes Einkommen und evtl. eine Verbeamtung erwarten kann.

Hintergrund

Der DTKV unterhält seit 1980 ein Manuskriptarchiv. Was ist das Ziel dieser Sammlung? 

Um einerseits den eigenschöpferisch tätigen Mitgliedern den Weg in die Öffentlichkeit zu erleichtern, andererseits aber auch den Musikinterpreten die Möglichkeit zu geben, zeitgenössische Musik zu erwerben, die noch in keinem Verlag erhältlich ist, wurde 1980 das Manuskript des Deutschen Tonkünstlerverbandes gegründet.

In das Archiv, in dem sich derzeit rund 2.000 Kompositionen befinden, werden noch unverlegte Werke zeitgenössischer Komponisten aufgenommen und Interessenten zum Kauf angeboten.
Voraussetzung für die Aufnahme ist die Mitgliedschaft im Deutschen Tonkünstlerverband. Weitere Bedingungen sind, dass die Werke noch nicht verlegt sind und der Autor das Urheberrecht besitzt.

Ein weiteres Projekt ist die Musiklehrer-Datenbank. Wie viele Lehrer aus MV machen mit?

Bisher einige wenige, da das Portal ganz neu eingerichtet wurde. Wir erhoffen uns durch dieses Angebot allerdings einen Mitgliederzuwachs, da die freiberufliche Tätigkeit so deutlich gestärkt wird.

Der Tag der Musik steht bundesweit unterm Motto „Musiklandschaften: Orchestergipfel“. Was ist am 18. Juni in MV geplant?

Unser Landesverband plant einen „Tag der Hausmusik” unter der Schirmherrschaft des DTKV. Die teilnehmenden Musiker werden an den bespielten Räumen mit dem Logo des DTKV kenntlich machen, dass dort musiziert werden kann. Der Landesverband Bremen führt diesen Tag der Hausmusik jedes Jahr erfolgreich durch. Wir sind gespannt, ob so etwas auch im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern funktionieren kann. 

Und was ist langfristig in Vorbereitung?

Wir planen, regelmäßig mindestens ein großes Konzert der Tonkünstler durchzuführen. Für 2018 haben wir vor, uns von dem neu eingerichteten Förderprogramm des Kultusministeriums MV inspirieren zu lassen und zum Thema „Heimat” etwas beizutragen.

Service

So erreichen Sie den Verband:

Geschäftsstelle: Martina Scharstein

mscharstein@gmx.de

0385-512670 Geschäftszeiten: Mo-Fr 8:00 bis 12:00

So erreichen Sie das Manuskriptarchiv:

Seit Februar 2006 liegt das vollständige Manuskriptearchiv des DTKV nicht nur in der Bundesgeschäftsstelle in München, sondern auch in der Musikwerkstatt Engelbert Humperdinck Siegburg, Zeughausstraße 5, vor. Dort besteht die Möglichkeit nach Terminabsprache (z.B. per E-Mail an musikschule@siegburg.de) zur Einsichtnahme und praktischen Erprobung der Werke des Archivs. Bestellungen (Preis auf Anfrage, abhängig vom Umfang des bestellten Notenmaterials) nimmt die Musikwerkstatt Engelbert Humperdinck Siegburg entgegen und leitet diese zur weiteren Abwicklung an die Bundesgeschäftsstelle des DTKV in München weiter.

So erreichen Sie die Musiklehrer-Datenbank:

www.musiklehrer-finder.de