Die Landeskulturkonferenz im Liveticker
Die Landeskulturkonferenz am Mittwoch in Parchim - mit einem umfassenden Programm zu Themen wie Kunstfreiheit, Teilhabe, Ökologie und Vielfalt. Motto: Offen für alle. Hier der Liveticker.
9:50 Uhr: Willkommen in der Stadthalle Parchim! Das Interesse an der Landeskulturkonferenz ist groß. Rund 250 Kunst- und Kulturschaffende aus MV sind der Einladung des Landes gefolgt und verbringen den Tag in Workshops, bei Vorträgen und Diskussionsrunden. 10 Uhr geht’s los.
10 Uhr: Effektvoller Startschuss! So kann es aussehen, wenn Kunst und digitale Technik zusammen Theater spielen. Die Performance von Lars Scheibner aus Neustrelitz - eine Vision für zukünftige Theaterformen?!
10:10 Uhr: Bettina Martin eröffnet die Landeskulturkonferenz. „Offen für alle“ lautet das Motto. „Wir haben das Motto nicht zufällig gewählt“, betont die Kulturministerin in ihrem Grußwort. „In einer Zeit, in der Dialoge und Kompromisse immer schwieriger werden, haben Kunst und Kultur eine besondere Kraft: Sie ermöglichen ein Nebeneinander unterschiedlicher Perspektiven, schaffen Verbindungen, treten in Dialoge. Kultur ist ein wichtiger Eckpfeiler für eine offene Gesellschaft.“ Das setze voraus, dass alle daran teilhaben können. Ihr Wunsch für die Landeskulturkonferenz: „Lassen Sie uns heute diskutieren, wie Kunst und Kultur offen für alle bleibt – und noch offener für alle wird.“
- Hier das Interview mit Bettina Martin zur Landeskulturkonferenz: www.kultur-mv.de
- Die Landeskulturkonferenz 2024 - hier geht's zum Livestream
10:30 Uhr: Die Keynote von Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für Kultur in Thüringen. Er sagt: „Die Welt aus den Fugen ist der Normalfall. Wir müssen damit umgehen.“ Das Versprechen der blühenden Landschaft zur Realität sei ein Stück akkumulierte Enttäuschung. Die Kultur sei keine gesellschaftliche Reparatureinrichtung. Kunst sei frei zu entscheiden, was sie tut. Kulturschaffende würden gesellschaftliche Bewegung in künstlerischen Ausdruck übersetzen. Kunst rege zum Diskurs ein.
11:20 Uhr: Die Podiumsdiskussion beginnt. Thema: Demokratiemotor Kultur. Gäste: Bettina Martin (Kulturministerin), Prof. Benjamin-Immanuel Hoff (Sozialwissenschaftler und Kulturminister von Thüringen), Dr. Claire Bortfeldt (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Birgit Lohmeyer (Autorin, Dozentin), Thomas Ott-Albrecht (Intendant Junges Staatstheater Parchim), Uta Rüchel (Projektleitung „Demokratie? Eine Frage der Verfassung!“) und Golo Schmiedt (Moderation). Im Mittelpunkt die Frage: Welche Bedrohung für Kultur geht von Rechts aus und wie kann sie verteidigt werden?
11:45 Uhr: Thomas Ott-Albrecht sieht insbesondere in Theaterangeboten für ein junges Publikum einen Demokratiemotor. Er wirbt darum, mit Schulen zusammenzuarbeiten und Stücke anzubieten, die Lebenswirklichkeiten auf der Bühne wie unter einem Brennglas widerspiegeln – und junges Publikum zum Nachdenken anregen. Keine Denkergebnisse vorzugeben, sondern anzustoßen, das sei für ihn der Weg. „Wenn wir Menschen befähigen, selbstständig zu denken, liegt darin auch die Zukunft für Theater.“
Claire Bortfeldt spannt den Bogen zurück zum 9. November 1989 in Leipzig. Der Staat sei damals vorbereitet gewesen, jeden Aufstand gewaltsam niederzuschlagen. „Doch dann kamen Menschen mit Kerzen in der Hand aus der Kirche und sangen Lieder.“ Friedliche Revolution statt gewaltsamem Aufstand. Dieses Beispiel zeige, welches Potential Kunst und Kultur haben könne, Zugänge zu Menschen zu finden. „Mit Kunst und Kultur kommen wir an Orte, an die wir mit klassischer politischer Bildung nicht kommen.“ Sie appelliert an Kunst und Kultur, offener für kreative Formate zu sein, um sich neue Zielgruppen und Akteure zu erschließen.
Prof. Benjamin-Immanuel Hoff sieht Herausforderungen aus zwei Richtungen auf die Kultur zukommen. Zum einen aus Richtung AfD und freien Wählergruppen. Vor allem Theater seien hier Orte für Angriffsflächen. Zum anderen gebe es aber auch viele Diskussionen in den Kultureinrichtungen selbst, insbesondere in der Frage, „was gesagt werden darf und was nicht“.
Birgit Lohmeyer wünscht sich, dass mehr Leute aus Mecklenburg-Vorpommern zu ihrem Festival „Jamel rockt den Förster“ kommen. Zu einem Festival, das für eine offene Gesellschaft, für Demokratie und Toleranz stehen würde.
Uta Rüchel bedauert, dass viele Diskussionen in sehr polarisierender Weise geführt würden. „Ich frage mich oft: Was ist mit all den Menschen dazwischen? Und wie finden wir Formate, diese Menschen anzusprechen?“ Hier sehe sie auch die Kultur in der Verantwortung, Räume zu öffnen. Viele Veranstaltungen seien in ihren Botschaften so eineindeutig, „da ist kein Raum für Diskurs.“
„Wie erwischen wir die Zwischenräume?“ – das sei auch für sie eine wichtige Frage, sagt Kulturministerin Bettina Martin. „Wie erwischen wir die Menschen, die diese polarisierenden Debatte nicht führen wollen?“ Sie wirbt darum, die Landeskulturkonferenz als einen Ort zu verstehen, der sich auch mit dem Raum dazwischen und all seinen Grautönen befasst.
12 Uhr: Bettina Martin verleiht den Förderpreis Soziokultur. Die Schirmherrin hat den mit 2.000 Euro dotierten ersten Preis an den „Freundeskreis Popkultur“ aus Bad Sülze überreicht. Der Freundeskreis organisiert das bekannte „ROXSA-Festival“ und trägt auch mit Konzerten, Workshops und dem Ehrenamtsnetzwerk „Klein.Stadt.Erwachen“ dazu bei, das kulturelle Leben in seiner Region und das gesellschaftliche Miteinander zu stärken. Zweiter Preisträger, mit 1.000 Euro Preisgeld, ist der Verein „Die Platte lebt“ aus Schwerin, der für sein Projekt „PlattenPark“ im Stadtteil Mueßer Holz geehrt wurde.
12:15 Uhr: Ortswechsel. Die Landeskulturkonferenz geht in der Kulturmühle weiter. Mit Impulsvorträgen, Workshops und jeder Menge Raum für Gespräche, Kontakte und Netzwerke.
12:30 Uhr: Impulsvortrag „Teilhabe“ - wie schafft man es, viele Menschen zu erreichen? Der Weg ist mühsam, wie Selina Wippler vom Institut für neue Medien sagt. Es gibt viele Förderer, aber der bürokratische Aufwand ist hoch. „Doch es lohnt sich, wenn ich die Menschen sehe und wie sie sich freuen.“ Mehrere Impulsvorträge regen zum Informieren, Vernetzen und Nachmachen an.
13 Uhr: Workshop zu Teilhabe: Alles für alle. Wie geht das? Gar nicht. Weil nicht alle alles wollen. Einige Menschen mit und ohne Behinderung möchten Kultur, andere Sport. Wichtig ist, Möglichkeiten zu schaffen. Und Angebote zu machen. Und diese über Werkstätten, Organisationen und Eltern an Menschen mit Behinderung zu bringen. Und wenn Interesse da ist, Teilhabe zu ermöglichen. Das ist ein Fazit von mehreren einer Gesprächsrunde zwischen Kulturschaffenden.
13:30 Uhr: Über Kunst und Kultur wird nicht nur gesprochen. Sie wird auf der Konferenz auch gelebt. Zum Beispiel im Illufix. Einfach reinsetzen, wie in einen Foto-Automaten. Hinter der Wand sitzt Konstanze Zelck und zeichnet live das Porträt. Kurz warten. Und sich über das Ergebnis freuen.
14:15 Uhr: Demokratie und Kunst - sie finden hier auf Plakaten zueinander. Für die Ausstellung von Poppy Field haben Illustratorinnen und Illustratoren aus MV ihren Gedanken zum Thema „Demokratie, Toleranz und Offenheit“ Ausdruck verliehen.
14:30 Uhr: Caspar David Friedrich meets Street Art. Wie das aussehen kann? In Parchim zeigt sich das digital. Wer die Kunst vom Urban Art e.V. live sehen möchte: Auf nach Greifswald!
14:45 Uhr: Interaktion am „Schachbrett“: Was macht der Kulturbegriff mit dir? Welche kulturellen Erlebnisse haben dich geprägt? Das fragt Lilli Lelewell an ihrer „Wand der Vielen“. Wer will, sucht sich einen Kopf aus, klebt ihn auf und schreibt seine Gedanken dazu. So, wie Frieda Kopp vom rat + tat e.V.
15:15 Uhr: Das abschließende Panel resümiert die Landeskulturkonferenz. Zum Thema Barrierefreiheit sagt Selina Wippner vom Institut für neue Medien: „Wir dürfen in der Kulturszene nicht als Ufo landen und dann wieder abheben. Es geht um Langfristigkeit.“ Barrierearm, mobil und integrativ sei oft das bessere Ziel als komplexe Barrierefreiheit, ergänzt Jacob Sylvester Bilabel von der Green Culture Anlaufstelle. „Kulturelle Bildung und Teilhabe brauchen eigene Impulse und Rückhalt aus der Politik“, meint Stefanie Müller-Durand, Kulturakteurin aus Thüringen. Anni Steinhagen von der Stadtbibliothek Wismar ergänzt: „Kulturelle Teilhabe bedeutet Empathie und intrinsische Motivation. Das Netzwerk bewegen, nicht nur die eigenen Türen öffnen, sondern selbst losgehen.“