Zukunftsrat fordert grundlegende Reformen
Der von der Landesregierung berufene Zukunftsrat hat die Politik in MV zu raschem Handeln und grundlegenden Reformen aufgefordert. „Wenn Zukunft anders aussehen soll, müssen wir jetzt, da die Zeit drängt, damit beginnen, Dinge anders zu tun“, heißt es in seinem Bericht. Hier die Forderungen für Kunst und Kultur.
„MV wird sich verändern”, lautet ein Kapitel im Abschlussbericht. Darin: sechs exemplarische Zukunftsbilder. Ein Ausschnitt.
„KUNST UND KULTUR: HERZENSBILDUNG UND WELTVERSTÄNDNIS. In unserem vierten Zukunftsbild leben die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern eine Kultur der kooperativen Gestaltung, des Helfens, Bewahrens, der Neugierde und der Entdeckung: zuhören, andere Meinungen aushalten, Kultur der Debatte pflegen, Haltung zeigen. Netzwerke, grenzüberschreitende Kooperationen und cross-sektorales Arbeiten mit der Kultur- und Kreativwirtschaft führen zur Innovationsentwicklung - vor allem auch im Handwerk, welches besonders gefördert wird. Der Zugang zu kultureller Bildung für alle, vom Kindergarten bis zum Seniorenalter, bringt Menschen hervor, die Demokratie schätzen und gerne Verantwortung für ihre Mitmenschen, ihre Landschaften und ihre Zukunft übernehmen. Unsere Gesellschaft in MV, in der jetzt viele Menschen ein Leben lang an kultureller Bildung und kulturellen Angeboten teilhaben, ist friedvoll, freudvoll und wertschätzend. Unsere Gesellschaft hat praktikable Alternativen gegenüber Hass und Hetze entwickelt. Sie sieht das Schöne und tut das Gute. Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut. Kunstgenuss und Kunstausübung, auch mobil im Land unterwegs, verstärken sich mit Landschaft und Natur in der Wechselwirkung und prägen so die Kulturlandschaften in MV. Kulturschaffende gestalten die Weite unserer ländlichen Räume mit. Sie erschaffen und nutzen digitale Welten und bewahren zugleich alte Schlösser, Gutshäuser, Scheunen, Bahnhofsgebäude und Molkereien. Gemeinsam eröffnen sie neue Lebens- und Kulturorte, in denen Menschen zusammenkommen, auf vielfältige Weise ihre Freizeit miteinander verbringen, sich engagieren und an kultureller Vielfalt teilhaben. Kunst- und Kulturschaffende bringen sich in gesellschaftliche Diskurse ein und zeigen mit konkreten künstlerischen Projekten Gestaltungsräume auf, regen zur Reflexion an, entwickeln Visionen und tragen dazu bei, Kulturlandschaften auch touristisch in Wert zu setzen.”
Empfehlung für ein Zukunftsprogramm
„Verankerung von Kunst und Kultur als Querschnittsaufgabe in allen Ministerien. Weiterentwicklung im Sinne der vom Landeskulturrat gemeinsam mit dem Ministerium für Bildung Wissenschaft und Kultur entwickelten Kulturpolitischen Leitlinien (2021-2030).”
Handlungsfelder
„Wahrnehmung und Förderung von Landschaft ebenso wie Kunst und Kultur als Wirtschafts- und Standortfaktor, z.B. durch Investitionsförderung für Kreativwirtschaft und Erweiterung der Richtlinien im EU-Strukturfonds um verpflichtende (Kunst &) Kultur-Komponenten (2021-2025).”
Instrumente
„Ausbau der finanziellen und strukturellen Förderung von Kunst- und Kulturschaffenden (2022). Schaffung eines Nachhaltigkeitszentrums mit zusätzlichen mobilen Aktivitäten, insbesondere im ländlichen Raum zum Schwerpunkt künstlerisch-kulturelle Bildung (z.B. in Form einer Bundes- und Landesakademie) (2021-2030). Errichtung einer Landeskulturstiftung oder vergleichbarer zeitgemäßer Förderinstrumente in enger Abstimmung mit kommunaler und Landesförderung in Bezug zur Kulturleitlinie Nr. 10 (2022) nach Vorliegen der Prüfergebnisse.”
Botschaften des Zukunftsrates
„Unsere erste Botschaft als MV Zukunftsrat lautet deshalb: Zukunft beginnt genau jetzt! Nicht erst nach der Wahl oder in der nächsten Legislaturperiode. Maßnahmen, deren Erfolg in der Zukunft liegen, werden von Politik oft hinausgeschoben. Das Gegenteil ist jedoch notwendig: Was lange dauert, muss jetzt begonnen werden. Deshalb haben wir einen Teil unserer Empfehlungen ganz bewusst für das Jahr 2021 formuliert.
Unsere zweite Botschaft lautet: Wandel ist die Konsequenz eines anderen Handelns! Wenn Zukunft anders aussehen soll, müssen wir jetzt, da die Zeit drängt, damit beginnen, Dinge anders zu tun. Wenn wir Transformation vom Ende her denken, müssen wir heute konsequenter handeln. Und wir brauchen einen Kulturwandel: Gewohnheiten und sektorales Denken müssen hinterfragt und zum Teil abgelegt werden, kooperative und interdisziplinäre, aber auch experimentelle Strukturen etabliert werden.
Unsere dritte Botschaft lautet: Packt die großen Themen an. Die großen Paradigmenwechsel sind lange bekannt! Wir kennen die Zukunft nicht, aber wir wissen, dass die Klima- und Biodiversitätskrise sofort aufgehalten werden muss, dass die Digitalisierung gestaltet und dass der Zusammenhalt gestärkt werden muss, damit Gesellschaft nicht auseinanderbricht und Demokratie erhalten bleibt. Und dafür gibt es bei den Bürger*innen von MV einen breiten gesellschaftlichen Konsens und eine Erwartungshaltung an klare Rahmensetzung durch die Politik.
Unsere vierte Botschaft ist: Beginnen wir mit dem klimaneutralen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Das erfordert den Aufbau einer Nachhaltigkeitsökonomie, die den Schutz der natürlichen Ressourcen in MV, wo diese wirtschaftlich genutzt werden, in Wert setzt und technologische Innovationen auslöst. Zu diesem Ziel gelangen wir nur dann, wenn wir einen neuen Pfad einschlagen. Es beginnt daher mit übergeordneten Weichenstellungen, etwa mit Nachhaltigkeit als Allgemeinnorm in Politik und Verwaltung.
Unsere fünfte Botschaft ist: Gestalten wir die digitale Gesellschaft, um Digitalisierung zu einer Quelle des sozialen und ökonomischen Fortschritts zu machen. Sie ist eine Chance für Teilhabe und Produktivität. Aber die digitale Gesellschaft ist an Voraussetzungen gebunden, die durch entsprechende Weichenstellungen geschaffen werden müssen, etwa einem Grundrecht auf Zugang zu digitaler Infrastruktur.
Unsere sechste Botschaft ist: Stärken wir das Gemeinwohl als Kern des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wandel braucht Solidarität und Sicherheit in Gesellschaft genauso wie Befähigung und Selbstbestimmung des Individuums. Wir brauchen entschiedene Weichenstellungen, um etwa Generationengerechtigkeit und lebenslange Bildungschancen zu einem strukturellen Auftrag politischen Handelns zu machen.
Zum Schluss haben wir noch eine siebente Botschaft, die lautet: Das alles wird scheitern (!), wenn es nicht gelingt, den politischen Mut aufzubringen, Zukunft unverzüglich und konsequent zu gestalten. Das größte Zukunftsrisiko besteht darin, nichts weiter zu tun als den Status quo zu verwalten. Der derzeitige radikale Wandel unserer Lebensbedingungen erfordert eine neue realistische Radikalität. Andernfalls werden die Größe der angebotenen Lösungen und die Größe der Herausforderungen immer stärker voneinander abweichen.”
Hintergrund
Der Zukunftsrat ist am 21. September 2020 von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig einberufen worden. Die Landesregierung hatte zuvor beschlossen, dieses aus 49 Persönlichkeiten bestehende, unabhängige Beratungsgremium einzurichten und maßgeblich bei zukunftsweisenden Entscheidungen des Landes einzubinden. Die Empfehlungen des MV Zukunftsrates sollen in die MV Zukunftsstrategie der Landesregierung einfließen.
Schwesig attestierte dem Zukunftsrat am Freitag, ein innovatives und zielführendes Zukunftsprogramm vorgelegt zu haben. Die darin enthaltenen Vorschläge würden in die aktuelle Politik mit einfließen. „Und es gibt viele Impulse, die sicherlich nach der Mecklenburg-Vorpommern-Wahl am 26.9. in Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen.”
Der Bericht zum Herunterladen - hier