21.01.2021

Spurensuche in der Gegenwart

Ein Porträt von Alexander Glandien. Im Hintergrund hängen Bilder.
Alexander Glandien
Auf einem Schreibtisch stehen Schälchen mit Perlen. Auf einer Knisterfolie liegt eine Kette. Auf dem Tisch liegen und auf Regalen an der Wand stehen kleine Bilderrahmen.
Blick ins Atelier von Alexander Glandien
An einem Ständer hängt eine Leinwand. Sie ist schwarz. Darauf sind zwei Gesichter abgebildet. Links das eines Mannes, rechts das einer Frau. Unter dem Mann steht der Buchstabe A, unter der Frau B.
Installationsansicht von der Arbeit „Legende"
Ein altes Schiff liegt mit dem Heck nach vorn im seichten Wasser. Neben dem Boot geht ein Mann durchs Wasser.
Videostill meiner Arbeit „Ritual for a relict"
Zwei schwarze Installationen in einem großen, weißen Rahmen.
Installationsansicht der beiden Arbeiten „Nest" und „Exil"

Gesellschaft und Individuum. Interpretation und Manipulation von Historie. Es sind die Ambivalenzen, mit denen sich Alexander Glandien in seiner Kunst auseinandersetzt. Für sein aktuelles Projekt reiste der gebürtige Schweriner auf den Spuren Alexander von Humboldts nach Südamerika, um die Aufzeichnungen des Universalgelehrten in ein neues Licht zu rücken. Was den Künstler inspiriert, worauf er Wert legt und wer ihn beeinflusst, erzählt er Kultur-MV.

Wie beschreiben Sie Ihre Arbeit selbst?

Alexander Glandien: Meine Arbeiten befassen sich mit der Aneignung, Interpretation und Manipulation von Geschichte. Mit unterschiedlichsten Medien, wie zum Beispiel Video, Installation, Zeichnung, Animation oder Fotografie erforsche ich seit vielen Jahren das Verhältnis von Ideologie und Identität, also wie formt die Gesellschaft das Individuum und andersherum. Ein aktueller Schwerpunkt dieser Auseinandersetzung bildet die kritische, künstlerische Reflektion der europäischen Forschungsexpeditionen nach Lateinamerika und die Suche nach ihren kolonialen Spuren in der Gegenwart. 

Ihre Arbeiten sind nun Teil des Landeskunstbesitzes. Was bedeutet es Ihnen?

Glandien: Zunächst einmal freut mich das sehr, weil es gerade solche Ankäufe sind und auch die damit verbundene Wertschätzung, die meine künstlerische Arbeit ermöglichen. Gleichzeitig sehe ich meine Kunstwerke aber auch als aktiven Teil von gesellschaftlichen Debatten und dafür ist es eben notwendig, dass sie öffentlich gezeigt und diskutiert werden. Daher hoffe ich, dass diese Arbeiten gerade durch ihre Präsenz in der Kunstsammlung MV ein vielfältiges Publikum in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus finden.

Welches Ihrer bisherigen Werke, bedeutet Ihnen am meisten und warum?

Glandien: Das kann ich leider so pauschal nicht beantworten. Ein wesentlicher Antrieb meines künstlerisches Schaffens ist, dass ein Thema, ein Ort oder ein Projekt eine außerordentliche Bedeutung für mich hat und daher erst zum Ausgangspunkt einer Arbeit wird.

Haben Sie ein Beispiel?

Glandien: Ich gehe auf eines meiner aktuellsten Projekte „Unfinished histories" ein. Ausgehend von der Südamerika-Expedition Alexander von Humboldts habe ich damit begonnen, die exakt selbe Route mehr als 200 Jahre später wieder zu bereisen, dieselben Orte zu besuchen und die Aufzeichnungen und Beobachtungen Humboldts einer Korrektur zu unterziehen. Den Ideen der Aufklärung folgend, rückte Humboldt mit seiner Reise Amerika ins Rampenlicht des alten Europas und bemühte sich um einen differenzierten und offenen Blick auf fremde Kulturen. Allerdings lassen sich Aufklärung und Fortschritt nicht ohne Unterdrückung, ohne Kolonialismus, Rassismus und Naturzerstörung denken. Sein Abenteuer der Wissenserweiterung, Vermessung und Kartografierung war zugleich Wegbereiter und Instrument der kolonialen Herrschaft.

Diese historische, aber auch aktuelle Ambivalenz des wissenschaftlichen Reisens bildet den Ausgangspunkt für mein Projekt, welches ich vor allem auch im Austausch mit lateinamerikanischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen vor Ort in Bogota, Popayan, Cali, Quito und Lima realisiert habe. Es geht im Kern also um eine intensive Auseinandersetzung mit postkolonialer Erinnerungspolitik und der Konfrontation mit der eigenen Verantwortung – aber auch um die gemeinsame Suche nach postkolonialen Perspektiven.

Welche Künstler und Personen beeinflussen Sie bei so groß angelegten Projekten?

Glandien: Das ist sehr unterschiedlich und einem permanenten Wandel unterworfen. Zur Zeit interessiere ich mich sehr für die Arbeiten von Forensic Architecture, Mariana Castillo Deball, Francis Alÿs, Otobong Nkanga, Lisl Ponger und Omer Fast.

Was inspiriert Sie dabei? 

Glandien: Ich denke, meine wichtigsten Inspirationsquellen sind Literatur, Reisen, Gespräche und ziellose Recherchen im Internet. Alle diese Einflüsse verbinden sich oft miteinander, ergänzen sich und erzeugen mein Interesse für ein Thema oder ein Medium. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist das experimentieren mit Formen und Themen, ohne direkt zu wissen wohin es mich führt. Gerade diese Offenheit und die Fokussierung auf den Schaffensprozess selbst ist immer eine wesentlicher Bestandteil meiner Kunstwerke.

Welche Rolle spielt Ihre Arbeitsumgebung?

Glandien: Ich arbeite meist im Atelier, aber auch sehr viel auf Reisen oder auf Artist Residencies im Ausland. Der Wechsel von verschiedenen Arbeitsumgebungen ist dabei besonders reizvoll, weil er meine Arbeiten auf ganz verschiedene Weise beeinflusst.

Gab es einen Auslöser oder einen Punkt, an dem Sie sich aktiv dafür entschieden haben?

Glandien: Nein, einen solchen Auslöser oder "Punkt" gab es für mich nicht. Aber meine Art zu denken, meine Interessen und auch meine sehr frühe Begeisterung für künstlerische Ausdrucksformen haben diesen Weg sicher geprägt.

Wie gehen Sie mit aktuellen Corona-Situation um? 

Glandien: Ich versuche vor allem mit Optimismus in die Zukunft zu schauen und hoffe, dass ich die Projekte, welche ich im Jahr 2020 verschieben oder absagen musste, in 2021 realisieren kann. 

Der Künstler Alexander Glandien

  • 1982 – geboren in Schwerin
  • 2003-2008 – Studium Kommunikationsdesign und Medien, Diplom mit Auszeichnung an der Hochschule Wismar
  • 2009-20 – künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildende Kunst und Kulturwissenschaften der Kunstuniversität Linz
  • 2013 – Gastdozent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
  • 2018 – Gastdozent an der Universidad Nacional de Colombia in Bogota
  • 2013 – Klemens Brosch Preis, Linz 
  • 2015 – Talentförderungspreis des Landes Oberösterreich
  • lebt und arbeitet in Wien

Einzelausstellungen mit Alexander Glandien

  • 2008    Glandienale | Einzelausstellung | Galerie 20 | Wismar
  • 2009    European Media Arts Festival | Osnabrück
  • 2010    2nd Moscow Biennale for Young Art | Moscow Museum of Modern Art
  • 2011    Galerie Roman Petrovic | Einzelausstellung | Sarajevo
  • 2013    3rd Moscow Biennale for Young Art | Moscow Museum of Modern Art
  • 2014    Legenden | Einzelausstellung | Galerie 5020 | Salzburg
  • 2015    An die Arbeit | Gruppenausstellung in der Landesgalerie Linz
  • 2016    Hier & Jetzt | Künstlerhaus Schloss Plüschow
  • 2017    6. Thessaloniki Biennale für zeitgenössische Kunst | Thessaloniki
  • 2017    BLACK BOX | Casino Luxembourg | Luxemburg
  • 2018    6th Moscow Biennale for Young Art | Moscow Museum of Modern Art
  • 2019    Continental Drift | Salzamt Linz
  • 2020    66. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen
  • 2020    Machines of Deceleration | Art Republic | Stavanger